Vanessa Remington
Ein Bild vom Paradies: Gärten und Kunst
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2018, 312 S. mit zahlr. Abb.
ISBN 978-3-8369-2128-2
Gartengeschichte vom Feinsten
Gärten sind das dynamischste und gleichzeitig das vergänglichste aller Kulturgüter. Stets sind sie dem Zeitgeschmack und den Launen der Besitzer ausgeliefert. Pflanzen wachsen und gedeihen oder werden krank und sterben. In jedem Fall brauchen sie Pflege – und diese kostet Geld, das heutzutage immer unwilliger für den Erhalt des kulturellen Erbes zur Verfügung gestellt wird. Wie gut also, dass einstige Besitzer, Designer und Verleger Künstler engagierten, um Gärten im Bild festzuhalten! Über die Jahrhunderte ist dabei so einiges zusammengekommen: Ölgemälde, Aquarelle, Kupferstiche und natürlich zahllose Bücher. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich Ideen für die Gestaltung von Gartenanlagen ebenso schnell verbreiteten wie die Anleitungen für die Pflege von Blumen und Bäumen. Ein Buch wie Ein Bild vom Paradies: Gärten und Kunst kann also aus dem Vollen schöpfen und LeserInnen mit Gartengeschichte vom Feinsten erfreuen!
Apropos Paradies …
Unsere Vorstellungen von dieser grünen Idylle haben ihre Wurzeln in dem umhegten Ziergarten eines Königs im fernen Persien. Die Bezeichnung Paradies verdanken wir hingegen dem griechischen Schriftsteller Xenophon (um 430–354 v. Chr.). Die Europäer waren zunächst so mit ihren Nutzgärten beschäftigt, dass sie nur in ihrer Fantasie in Lustgärten wandelten. Erst im Spätmittelalter wurde der von Mauer oder Zaun umschlossene, blumenreiche Garten auf Papier gebannt – zumeist in religiösem Kontext, als Garten Eden oder Erholungsraum für die Madonna mit Kind und Gefolge.
Ab dem 16. Jahrhundert machten sich auch weltliche Herrscher Gärten für Propagandazwecke zunutze. Sie umgaben ihre Paläste mit prächtigen Ziergärten und ließen sich mit diesen Statussymbolen von Künstlern malen. In der Kunst können nun erstmals Gärten, die tatsächlich existiert haben, identifiziert werden. Maßgeblich für die Gartengestaltung, in der sich der Einfluss der Antike spiegelte, war Italien.
Der formale Garten mit gestutzten Hecken und beeindruckenden Parterres erlebte seinen Höhepunkt im Barock. Frankreich unter Ludwig XIV. wurde zur tonangebenden Nation in Sachen Gartengestaltung. Angespornt entwickelten sich auch andere Herrscher zu Gartenenthusiasten. Wer so viel Geld in seinen Garten investierte, wollte ihn auch für die Ewigkeit festgehalten wissen. Die gemalte Gartenansicht wurde bildfüllend, der Mensch zur Staffagefigur.
Eine unglaubliche Bereicherung erfuhren die Gärten durch die Erkundung der Welt und der Etablierung neuer Fernhandelswege. Exotische Pflanzen wurden aus den eroberten Gebieten nach Europa gebracht, die ersten botanischen Gärten entstanden, man begann zu ordnen und zu forschen. Davon profitierten die Illustratoren, die für wissenschaftliche Werke und Florilegien berückend schöne Pflanzenporträts schufen.
Mit dem Aufkommen des englischen Landschaftsgartens war es mit der geometrischen Unterwerfung der Natur und der Blütenpracht vorerst vorbei. Der Garten wurde zur Folie für Gedankengut der Aufklärung, seine Gestaltung huldigte der scheinbar unverfälschten Natur und später dem Pittoresken. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten Gartenbesitzer wieder die Liebe zur Blumenrabatte.
Die Lust am Grün als Ausdruck der Macht
Eines wird beim Schmökern in dem stattlichen Buch klar: Bis ins 19. Jahrhundert waren Ziergärten, die einzig dem Vergnügen dienten, ein Privileg der Elite. Die arbeitende Bevölkerung blieb ein Zaungast im Paradies. Das bestätigt ein kritischer Blick auf so manche Gartenansicht. Während die Oberschicht den Müßiggang genießt, sind GärtnerInnen fleißig am Werken.
Kunstvoll gestaltete Gartenanlagen waren immer auch ein Spiegel der Macht, sei es um als fiktive Schöpfung die Menschen durch Versprechungen auf das Paradies gefügig zu machen oder als reales Kunstwerk Gegner auf der politischen Bühne zu beeindrucken. Für die Herrschenden dienten sie als Instrument zur Selbstdarstellung und waren zugleich Rückzugsort im Sinne der „gated community“. Selbst das durch botanische Gärten geförderte Wissen bedeutete auf seine Weise Macht. Die Öffnung der Privatgärten von Adeligen und die Anlage großer Volksgärten im 19. Jahrhundert mögen philantropisch anmuten. Letztendlich diente sie aber dazu, die Massen der Ausgebeuteten arbeitsfit zu halten und sie zu befrieden, auf dass sie nicht aufbegehren. Denn der Mensch braucht die Natur, um zur Inneren Ruhe und Ausgeglichenheit zu gelangen.
Fazit
Ein Bild vom Paradies: Gärten und Kunst führt in acht Kapiteln durch die Geschichte der Gartenkunst. In ihrem fachlich fundiertem Text spaziert die Autorin Vanessa Remington flott von den Fantasiegärten zu den Abbildern realer Gartenanlagen und verfolgt deren Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert. Sie verbringt dabei jedoch die meiste Zeit in England, denn die Gartengeschichte wird – da das Buch auf eine 2015 in London gezeigte Ausstellung basiert – großteils mit Objekten aus der Royal Collection erzählt. Zuweilen mutiert der Bildband zum Bestimmungsbuch, denn die einzelnen Elemente der jeweiligen Gartenstile werden genau untersucht. So erfahren BetrachterInnen Wissenswertes über Labyrinthe, Pergolen, Knoten, Formschnitt, Obelisken, Vasen, Statuen und Sonnenuhren. Auch das Kunsthandwerk kommt nicht zu kurz, schließlich hielten Wandteppiche, floral verziertes Porzellan und Blüten aus Juwelen die Erinnerung an die Pracht der Gärten auch im tiefsten Winter wach. Die Auswahl der zahlreichen großformatigen Abbildungen, die das Buch zu einem wahren Augenschmaus machen, bietet eine wunderbare Mischung aus bereits bekannten und weniger vertrauten, da selten publizierten, Gartenansichten.
Ein Bild vom Paradies: Gärten und Kunst“ ist somit der perfekte Ersatzstoff, der liefert, woran es uns heute mangelt: Schönheit.