Himmelsscheibe

Harald Meller, Kai Michel
Die Himmelsscheibe von Nebra: Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas
Propyläen, Berlin 2018, 384 S., Farb- und Sw-Abbildungen
ISBN 978-3-549-07646-0

Die dunkle Seite des Himmels

Die Himmelsscheibe von Nebra hat eine unrühmliche Entdeckungsgeschichte. Raubgräber rissen das den Fund 1999 aus dem Befundzusammenhang. Auf die ebenso widerrechtliche wie unsachgemäße Wühlung folgte der illegale Verkauf und Wiederverkauf an Hehler. Wertvolle Informationen sind dabei unwiederbringlich verloren gegangen. Die Bronzezescheibe selbst wurde von den Raubgräbern und den Hehlern mehrfach beschädigt. 2002 endete die Odyssee des „geschmiedeten Himmels“. Der berühmteste Fund Sachsen-Anhalts konnte endlich gesichert werden. Die gerichtliche Verurteilung aller Beteiligten war zudem ein Meilenstein bei der Verfolgung und Belangung illegaler „archäologischer“ Aktivitäten.

Sonne, Mond und Sterne

Das Schicksal bedeutender Funde scheint ihre zweifelhafte Entdeckung und der Fälschungsvorwurf zu sein. Beides ringt der Fachwelt ein Kopfschütteln ab. Das frühbronzezeitliche Stück vom Himmel ist genauso echt wie die die Schäden, die es zwischen 1999 und 20202 erlitten hat. Die Himmelscheibe ist in dieser Form einzigartig, obwohl nicht gänzlich ohne inhaltliche Parallelen, belegt die frühbronzezeitliche Geisteswelt ebenso wie die astronomischen Fähigkeiten dieser Zeit. Die Himmelscheibe von Nebra ist ein Schlüsselfund, der mehr als nur Handelskontakte über weite Strecken belegt.

Die beste Geschichte schreibt der Fund!

Die neueste Publikation um den Sensationsfund aus Sachsen-Anhalt ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Ereignisse rund um Auffindung und Sicherstellung wie ein Krimi dargelegt. Der Forschungsstand rund um das Objekt selbst wird von der Materialuntersuchungen über den Herstellungsprozess bis zur Entschlüsselung der Kalenderfunktion dargelegt. Die aus allen Einzelanalysen resultierenden Forschungsergebnisse gewähren tiefe Einblicke in die frühe Bronzezeit.

Der zweite Teil ist nicht minder spannend. Der Blick auf die Region um den Fundort, zeigen den Siedlungsraum mit all seinen zugehörigen Fundstellen, Funden und Befunden. Aus dem spektakulären Einzelfund wird ein Objekt, das innerhalb der regionalen Gesellschaft, deren Spuren in Siedlungen, Depots und Gräbern fasbar wird, von großer Bedeutung gewesen sein muss. Weiters wird über den regionalen Tellerrandes von Nebra auf das internationale kulturelle Panorama geblickt. Die kulturellen Kontakte, die sich mit Sachgütern belegen lassen, umfassten natürlich auch den weniger leicht nachweisbaren Wissensaustausch. Wie heißt es so schön: Ideen reisen schnell! Umso wichtiger sind Funde wie die Himmelsscheibe von Nebra, die das immaterielle und eng miteinander verflochtene Kulturgut „Wissenschaft und Religion“ belegen.

Der Band lädt am Ende zu Erkundungen im Reich von Nebra ein. Lesefreundlicher wären hier zwei Seiten mehr in größerer Schrift und attraktiverer Bebilderung gewesen. Dennoch sind die Hinweise auf Besichtigungsziele – inklusive Öffnungszeiten und Internetverweise – sehr erfreulich. Das weiterführende und ansehnliche Literaturverzeichnis wird die unersättlichen Archäologiefans erfreuen.

Fazit

Das Buch richtet sich vor allem an archäologisch Interessierte, die eine aktuelle Zusammenschau über den Stand der Forschung lesen wollen, ohne sich durch unzählige Einzelanalysen zu ackern. Dieser spannende Überblick wird in diesem Buch tatsächlich in großem Umfang geboten. Wünschenswert wären mehr hochqualitative Abbildungen, die sw-Fotos „saufen“ leider stark ab, im Fließtext gewesen. Dieses Manko ist aber sicher nicht den Autoren anzulasten. Umso erfreulicher sind die an zwei Stellen im Band eingebundenen jeweils acht Farbfotoseiten, über deren Auswahl wohl diskutiert wurde. Die Zusammenarbeit des Archäologen Harald Meller, Retter der Himmelscheibe, mit dem Wissenschaftsjournalist Kai Michels mündete in einem flott zu lesendem Buch, das fundierte Informationen zu einem hochkomplexen Inhalt liefert. Umso schöner ist dabei, dass Die Himmelsscheibe von Nebra: Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas verdammt gut zu lesen ist!