Simone J. Taschée, Klaus Postmann
Alles Chili: Schmecken-Würzen-Kochen
Braumüller, Wien 2019, 304 S., Grafiken, zahlr. Fotos
ISBN 978-3-99100-259-8
Das heiße Aroma
Bei Kochbüchern aller Art isst das Auge nicht nur mit, es ist der Auslöser für Speichelfluss und Kaufinteresse. Ja, auch ich beurteile ein Kochbuch zuerst nach seinem Cover. Appetitlich feuerrote Chili schmiegen sich um den Buchrücken. Sie brennen sich sofort – selbstverständlich schmerzlos – ins Auge! Ein Hingucker, der zum Hingreifer wird.
Ich liebe Chili, ich hasse zu scharfes Essen. Das ist eine vielversprechende Grundlage für eine abwechslungsreiche kulinarische bis brennend bedauernde Beziehung. Um so mehr war ich gespannt, was Simone J. Taschée und Klaus Postmann – siehe dazu auch Chili-Werkstatt – in ihrem Buch Alles Chili über die geschmackige Höllenfrucht zu erzählen haben. Außerdem war ich neugierig, wie der Fotograf Michael Rathmayer Chilis, Zutaten und fertige Speisen in Szene setzt.
Gleich vorab: Ich bin begeistert!
Übersichtlich und appetitlich
Erfreulich, dass die Gliederung des Inhalts nicht schweißtreibend ist, sondern magenschonend übersichtlich. In vier Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln gegliedert, sind alle Informationen schnell auffindbar.
Die ersten beiden Kapitel sind Grundinformationen sowie Sortenvielfalt von Chilis gewidmet. Beim Lesen kann man gemütlich auf dem Sofa chillen und viel Wissenswertes erfahren. Der Weg der Pflanzen von Amerika in die ganze Welt war weit, der Weg zum kulinarisch gefeierten Schärfespender war lang. Damit nicht genug, gibt es nicht einfach „die“ Chilis. Von geschätzten 400 Sorten haben es 45 in das Buch geschafft. Die Angebotspalette ist schließlich nicht überall gleich und das hiesige Angebot wurde benutzerfreundlich berücksichtigt. Seitdem ich Chilis gelegentlich aus Mexiko mitgebracht bekomme, weiß ich, dass in Österreich tatsächlich nur einen magerer Ausschnitt der Chili-Welt erhältlich ist. Ich gehe davon aus, dass die Angebotspalette in Deutschland ein bisschen abwechslungsreicher ist.
Das dritte Kapitel ehrt andere Scharfmacher – es muss ja nicht immer Chili sein. Diverse Wurzeln und Körner haben es schließlich auch in sich. Geschmackig und scharf präsentieren sich nicht nur diverse Körner wie Pfeffer, sondern auch Kren oder Ingwer.
163 Seiten später ist die informative Theorie rund um Chilis abgeschlossen und mit der faulen Sofachillen ist es vorbei. Das vierte Kapitel zur Küchenpraxis bringt Bewegung in die Chiliwelt. Es wird jenes Kapitel sein, das am häufigsten aufgeschlagen werden wird. Danke an das Taschée und Postmann, dass sie dieses Kapitel mit zehn Sicherheitstipps beginnen. Der Umgang mit Chilis ist von Vorsicht geprägt. Wer jemals ohne Handschuhe scharfe Chili geschnitten hat, kennt die Folgen. Bloß nicht ins Auge greifen und die nächsten drei Tage braucht man zum Würzen nur die Finger durch den Topf ziehen. Zahlreiche Tipps und Tricks tragen dazu bei, Chiliverarbeitung zu überleben und das beste aus den Chilis herauszuholen bzw. Überwürztes zu retten.
Salz, Würzmischung, Marmelade, Ketchup, und Saucen leiten den Rezeptteil ein. Die 20 kulinarischen Dauerbrenner sind nach Schärfegraden von 1 bis 10 gereiht. Anschließend folgen weitere 80, ebenfalls nach Schärfegraden gereihte Chili-Rezepte. Sie machen schon beim groben Durchblättern Appetit. Das liegt auch daran, dass die eingestreuten Fotos zum Ausprobieren einladen.Die Rezepte sind vorbildlich aufbereitet. Die Zutaten sind in der Reihe ihrer Verarbeitung aufgelistet. Fett gesetzt werden die empfohlenen Chili, um den angegebenen Schärfegrad zu erreichen.
Ein kurzes Glossar sowie ein Quellenverzeichnis für Informationssüchtige runden das Kochbuch benutzerfreundlich ab.
Fazit
Mit diesem Buch bekommt man mehr als „nur“ ein Kochbuch. Es ist ein als Augenschmaus gestaltetes Sachbuch mit üppigen Rezeptbonus. Fotos und Layout machen es ebenso attraktiv wie benutzerfreundlich. Seit es modern geworden ist, in der Küche zu wohnen, lösen schön gestaltete Kochbücher das klassische Coffee Table Book ab.
Wer nach dem Lesen Chilis weiterhin nur als höllischscharf beschreibt, dem ist nicht zu helfen. Höllisch scharf kann die heißeste aller Paprikasorten sein, aber sie muss es nicht! Sie dürfen wärmen, aber sollen nicht sämtliche Körperteile außen und innen wegbrennen. Man muss daher die richtigen Chili-Sorten rauspicken und entsprechend verarbeiten, damit sie zum Aroma beitragen und den Geschmack heben. Das Buch bietet genug Information für genussvolle Verwendung des Scharfgemüses.
Selbstverständlich wird im Laufe des Kapitels hervorgehoben, dass die Nachtschattengewächse Mittel- und Südamerikaner sind und in ihre Reise rundum den Globus erst nach 1492 angetreten haben. Züchtungen in der jeweiligen neuen Heimat haben mit der Zeit vielfältige und vielfarbige milde, scharfe, große, kleine Sorten hervorgebracht. Ich gehe davon aus, dass nur wenige LesereInnen des ebenso fundierten wie spannenden Sachbuchteils von einigen wenigen missverständliche Formulierungen wie z. B. „[…] Gemüsepaprika ohne Schärfe stammt ursprünglich aus Ungarn […]“ irritiert sein werden.
Schön, dass die bereits von Simone J. Taschée und Klaus Postmann vorliegenden Titel Das große Gewürzbuch und Vegan würzen
zur Verfeinerung von Speisen mit Alles Chili
ein weiteres, extrascharfes Kochsachbuch zur Seite gestellt bekommen.
Ich weiß jedenfalls, was ich kommende Weihnachten an die Foodfans verschenken werde.