Ebensolch Rez-E-zine03/03 |
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Non-Fiction Buch Die Gletschermumie aus der Kupferzeit 2 Neue Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis. Schriften des Südtiroler Archäologiemuseums 3 (A. Fleckinger Hg.) Folio Verlag, Bozen - Wien 2003. 136 S. EUR 26,50 (I)/ 28,00 (D/A) ISBN 3-85256-249-X
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Rezension Seit 1991 beschäftigt die sensationelle Entdeckung der Gletschermumie vom Similaun Wissenschaft und Öffentlichkeit. Die Einzigartigkeit dieses kupferzeitlichen Fundes wirft ganz im Sinne eines wissenschaftlichen Puzzleeffektes ebenso viele neue Fragen auf wie sie alte Fragen beantwortet. Im dritten Band der Schriftenreihe des Südtiroler Archäologie Museums werden in zwölf Beiträgen (deutsch, italienisch, englisch, französisch) die neuesten Forschungsergebnissen vorgelegt. Die Beiträge zeugen von der internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit. Den neuesten Stand Gletschermumienforschung sollte man sich nicht entgehen lassen. Das Autorenteam G. Artioli, M. Dugnani, T. Hansen, L. Lutterotti,, A. Pedrotti, G. Sperl präsentiert die Untersuchungsergebnisse der Kupferaxt. Die metallographischen und kristallographischen Beschaffenheit der Kupferkörner sowie die Klärung der Herstellungsmethoden geben neue Einblicke in die frühe Kupferverarbeitung. Eine Ausweitung der Studie soll aufklären, ob die Bearbeitung und Härtung von Kupfer in dieser Region zur Zeit des Mannes aus dem Eis tatsächlich nicht üblich war. Der Deutungsversuch von R. Barth zu den gefundenen mattenartigen Grasfragmenten, spricht sich auf Grund von experimentalarchäologischen Versuchen gegen einen ärmellosen Umhang aus. Der Autor favorisiert durch seine Experimente die Zugehörigkeit zum Traggestell, räumt aber auch die Möglichkeit einer Matte ein. Auch die kleinsten Spuren ermöglichen große Erkenntnisse wie der Artikel von J. H. Dickson beweist. Tausende Fragmente von Laub- und Lebermoosen, die aus den Sedimenten des Fundortes stammen sowie aus der Bekleidung gewaschen wurden, lassen Erkenntnisse über die südliche Herkunft zu, unterstreichen die Bedeutung von Moosen in dieser Zeit, und ermöglichen Rekonstruktion von Vegetation sowie Umweltbedingungen. Auch diese Analyse wirft neue Fragen auf: Wurden die Fragmente etwa durch menschliches Zutun an diesen Ort gebracht oder vom Wind verfrachtet? Die Konservierung der Mumie stellt noch immer eine Herausforderung an die Wissenschaft dar. Eine Übersicht von E. Egarter Vigl präsentiert, die Erfahrungen der letzten Jahre. Die natürliche Konservierung ohne chemische Substanzen wurde weiterentwickelt. Der mit sterilem Wasser erzeugte Sprühnebel legt sich als transparente Eisschicht auf die Mumie. Diese Eisschicht verleiht der Mumie ihr glasiertes Aussehen und bietet zur Zeit den optimalen Schutz hinsichtlich mechanischer, hygienischer und thermodynamischer Aspekte. Die Ausstattung des Mannes aus dem Eis mit einem Blick auf die Rangzeichen im kupferzeitlichen Mitteleuropa unternimmt P. Gleirscher. Um soziologische Fragen zu beantworten, werden körperliche Merkmale ebenso wie Bekleidung, Schmuck, Bewaffnung und Werkzeug aller Art herangezogen. Ein Vergleich mit Gräberfeldern und Stelen lässt den Toten durch die mitgeführte Axt mehr in dem Licht eines Anführers als das eines Schafhirten erscheinen. P. Gostner und E. Egarter Vigl liefern den grundlegenden Beitrag zur Abklärung der Todesursache des Mannes aus dem Eis auf der Basis radiodiagnostischer und pathologischer Untersuchungen. Da an der Mumie nur nichtinvasive Checks vorgenommen werden können, ist eine Klärung nur mit Hilfe bildgebender Methoden möglich. Neue Röntgenaufnahmen und Bilder der computertomographischen Analyse lassen beweisen die gewaltsame Todesursache. Eine im linken Schulterbereich steckende Pfeilspitze, die von links-hinten-unten nach rechts-vorne-oben weißt, führte mit aller Wahrscheinlichkeit zum Tode und begründet zugleich auch die Armhaltung des Mannes. Über das Zeitintervall zwischen Verwundung und Tod könnte allerdings nur eine Weichteilbiopsie, die die Mumie schädigen würde, genauere Information liefern. Der Beitrag von D. Malhotra widmet sich den Beschädigungen der Schuhe des Mannes aus dem Eis. Neben dem Aufbau werden hier die Ursachen der Schäden, die zu Lebzeiten des Mannes bzw. nach seinem Tode zustande kamen, gedeutet. Zur Diskussion wird hier noch ein relativ kurzer Zeitpunkt zwischen Schussverletzung und Todeszeitpunkt gebracht. W. Müller, M. T. McCulloch, H. Fricke und A. N. Halliday versuchen die Herkunft und Migration des Mannes zu klären. Die analysierten Proben stammen von, Zähnen, Knochen und Darminhalt des Eismannes. Als Vergleich wurden moderne Proben aus Böden archäologischer Fundstätten, Gewässer sowie moderner menschlicher Zähne herangezogen. Die Ergebnisse schließen eine nördliche Herkunft (z. B. Ötztal) aus und deuten auf Migration in den letzten 10 bis 20 Lebensjahren. K. Oeggl geht der Frage nach, ob die Mumie bewegt wurde. Die zahlreichen Umlagerungen während der unsachgemäßen Bergung waren nur die letzten allerdings folgenschwersten Positionsveränderungen des Toten. Mindestens einmal war der Tote zwischen seiner Konservierung und Wiederentdeckung aufgetaut und im Schmelzwasser geflutet. Die Veränderungen an der Haut, die Rotation des Körpers um 90 Grad und die Verfrachtung der Pflanzenteil könnten dadurch erfolgt sein. F. U. Rollo untersuchte die bakterielle DNA-Reste im inneren Gewebe des Toten, um den Verlauf der Mumifizierung zu klären. Seine Analyse widerlegt die bisherige Annahme, dass der Föhn für die Austrocknung verantwortlich sei. Die rasche Abdeckung mit Schnee und Eis führte zu dem heutigen. T. Sjøvold setzt sich mit den Tätowierungen und deren Position unter Zuhilfenahme von Infrarotaufnahmen auseinander. auseinander. Die mikrobiologischen Begleituntersuchungen wurden von F. Tiefenbrunner vorgenommen. Der nach drei Tagen schon fortgeschrittene Kontaminierung der Leiche wurde durch diverse Maßnahmen erfolgreich entgegengewirkt. © S. Strohschneider-Laue |
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