Ebensolch Rez-E-zine

 05/04

 
 

 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Sylvie Bergmann Sibylle Kästner Eva-Maria Mertens (Hg.)

Göttinnen, Gräberinnen und gelehrte Frauen

Göttinnen, Gräberinnen und gelehrte Frauen

Waxmann Verlag, Münster 2004. Frauen – Forschung – Archäologie, Bd. 5, 196 S.

EUR 14,90

ISBN 3-8309-1285-4

 

 

 

Rezension

Die vom Netzwerk archäologisch arbeitender Frauen 1994 abgehaltene Tagung unter dem Titel "Frauen – Forschung – Archäologie" wurde zum Reihentitel der Tagungsdokumentationen, die seit 2000 von der femarc-edition herausgegeben werden. Der vorliegende fünfte Band erwuchs aus der Jubiläumstagung (16.-17. Juni 2001) in Berlin anlässlich des 10 jährigen Bestehens des Netzwerkes archäologisch arbeitender Frauen. In drei Kapiteln – Göttinnen, Gräberinnen und gelehrte Frauen – werden neun Abhandlungen vorgelegt. Eine Zusammenfassung in Deutsch und Englisch ist jedem Beitrag vorangestellt. Die zu verschiedenen Themen abgefassten Aufsätze erfassen interessant, spannend und zuweilen ernüchternd Frauenaspekte in der Archäologie. Nach der Lektüre des Bandes werden sowohl Laien als auch den letzten Archäologen die Augen aufgehen. Das Überdenken althergebrachter/männlicher Sichtweisen hat angefangen, ist aber leider noch immer nicht überall salonfähig geworden. Die Publikation wird daher allen Archäologieinteressierten ans Herz gelegt. Ganz abgesehen davon, dass sie in keiner Fachbibliothek fehlen sollte.

Elvira Büchner und Brigitte Jenke eröffnen das Göttinnen-Kapitel. Sie führen in ihrem Beitrag "Auf den Spuren der Göttinnen" durch das Ägyptische Museum Charlottenburg. Anhand von Mythen und Exponaten aus drei Jahrtausenden stellen sie die Entwicklung von ägyptischen Göttinnen im paritätischen Götterhimmel dar. Berücksichtigt werden dabei auch Elemente der ägyptischen Mythologie, die ins Christentum Eingang gefunden haben.

"Frauenführung im Vorderasiatischen Museum Berlin" ist der Beitrag von Dörte Doering und Christiane von Lengerke lapidar betitelt. Hinter dem Titel verbirgt sich auch die berechtigte Kritik – und beliebig übertragbare – an der ausgeprägt 'patriarchalischen Museumspädagogik'. Mesopotamische Göttinnen und Priesterinnen aus Sumer, Babylon und dem Hethiterreich stehen im Mittelpunkt ihrer Führungen. Unter Einbeziehung von u. a. schriftlichen Quellen, Kleinplastiken und Beispielen aus der Monumentalarchitektur werden weibliche Aspekte aus der bereits weitgehend patriarchalisierten Welt herausgearbeitet.

"Kourotrophoi" von Erika Simon widmet sich den zumeist weiblichen "Schutzengeln" der griechischen Mythologie. Anhand von Vergleichen der "Trunkenen Alten" (Glyptothek München) mit einer Terrakotta-Statuette (New York, Privatbesitz) interpretiert sie die Darstellungen der sitzenden alten Frau mit Weinkrug und Kind als Kourotrophoi des Dionysos. In diesem Zusammenhang geht sie auch detailliert auf Ammen, Hebammen im antiken Griechenland ein.

Der Grabstock, der noch heute in entlegenen Wüstengebieten Australiens verwendet wird, eröffnet an einem lebendigen Beispiel das Gräberinnenkapitel. Sybille Kästner berichtet in "Schmiedinnen des Jagdglücks. Die Herstellung metallener Grabstöcke durch australische Aborigines-Frauen in der Great Sandy Desert" über die Bedeutung dieser Multifunktionsgeräte.

Der Zusammenhang von Grabanlage, Totenbehandlung, Ausstattung, Geschlecht und Alter analysierte Monika Göhlich in "Geschlechtsspezifische Bestattungssitten der Früh- und Mittellatènezeit in der Schweiz". Das Ergebnis ihrer Magisterarbeit verdeutlicht, dass die Beigabenvielfalt den Unterschied zwischen Männern und Frauen ausmacht. Frauengräber heben sich vor allem durch ihre differenzierte Ausstattung von den uniformen und spärlicheren der Männer ab. Er zeigt aber auch, dass Ihre Forderung nach mehr anthropologischen Auswertungen, um eine bessere Analyse der latènezeitlichen Gesellschaftsstrukturen vornehmen zu können, berechtigt ist.

Ein anderes Ergebnis zeigen die archäologischen und anthropologischen Auswertungen der linearbandkeramischen Bestattungen des Gräberfeldes von Sondershausen. Im Aufsatz "Zum Verhältnis der Geschlechter  in der Linearbandkeramik am Beispiel von Sondershausen, Thüringen" analysiert Daniela Nordholz die Gräber hinsichtlich, Lage, Ausrichtung und Beigabenverteilung. Die wenigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und eine geringe Hierarchie unter der gesamten Bevölkerung ergab die archäologische Auswertung. Dieses Resultat lässt sich  nicht immer mit den anthropologischen Daten in Einklang bringen.

Elke Heidefrau (Christmann) legt den Finger präzise auf den wunden Punkt. "Kontinuität der Subjektivität oder 'Matriarchatsforscherinnen arbeiten schlampig! Die archäologische Fachwelt dagegen arbeitet immer korrekt.' Versuch einer Richtigstellung" zeigt wie schwierig Objektivität ist und wie ungern subjektive Sichtweisen deklariert werden. Zwei Beispiele, eine paläolithische Elfenbeinfigur und der Film "Die Neandertaler", unterstreichen ihre Methodenkritik. Elke Heidenreich weckt mit ihrer Beurteilung auf jeden Fall auf. Es sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass in der sog. "objektiven Wissenschaft" noch in vielen anderen Bereich "der Wurm drin" ist.

"Zwischen Anspruch und Wirklichkeit" bewegt sich Irma Wehgartner, um auf die Spur der "'Gelehrten Frauen in der Klassischen Archäologie Deutschlands" zu kommen. Lebensläufe und Karrieren aus dem 19. und 20. Jh. offenbaren wie schwierig es war, (und ist) in dem von Männern dominierten Fach als Archäologin zu arbeiten. Die Repräsentanz von Frauen in verantwortlichen Positionen an Universitäten ist zwar gestiegen, steht aber nach wie vor in keinem Verhältnis zu den Studierenden und den Absolventinnen. Der Aufruf zur Solidarität vom Irma Wehgartner am Schluss des ernüchternden Artikels sollte angesichts der rückläufigen Förderungen von Kultur und Bildung durch die anhaltende Rezession sehr ernst genommen werden. Es trifft Frauen immer zu erst!

"Gelehrte Frauen organisieren sich. Zur Geschichte und Arbeit des Netzwerkes archäologisch arbeitender Frauen" von Eva-Maria Mertens und Sylvie Bergmann spannen den Bogen von 1988 bis 2003. Entstanden ist das Netzwerk aus öffentlichen Interesse an Frauenforschung, Genderarchäologie, Wissenschaftskritik und vor allem aus dem Bedürfnis die Arbeitssituation von Archäologinnen zu verbessern. Das Wirken des Netzwerkes wird durch die Arbeit, die bis dato geleistet wurde, verdeutlicht. Der Aufruf zur Mitarbeit sollte in Anbetracht der Situation von archäologisch arbeitenden Frauen nicht ungehört verhallen.

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