Ebensolch Rez-E-zine07/04 |
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Non-Fiction Buch Barbara Hodgson Die Krinoline bleibt in Kairo. Reisende Frauen 1650 bis 1900 Gerstenberg 2004, 216 S. reich bebildert. EUR (A) 24,70 EUR 24,70 (A), CHF 41,00 ISBN 3 8067 2927 1 |
RezensionAllein oder in Begleitung ihrer Ehemänner machten sich Frauen früher auf die Welt zu erkunden als gemeinhin bekannt ist. Alle diese reisenden Frauen zwischen 1650 und 1900 schrieben Briefe, führten Tagebücher oder verdienten ihr Geld als Reiseschriftstellerinnen. Spöttische Zeitgenossen behaupteten zeitweilig, dass manche Frauen nur reisen würden, um wieder ein Buch veröffentlichen zu können. Barbara Hodgson hat den Aufzeichnungen dieser reisenden Frauen nachgespürt. Entstanden ist dabei ein äußerst vergnügliches und zugleich spannendes Zeitreisebuch, dass nicht nur weibliche Leser ansprechen wird. Gegliedert nach Regionen ist es möglich, stiller Teilhaber an diesen oft abenteuerlichen Erlebnissen von einst zu werden. Aber nicht nur dies macht das Buch so spannend, es sind die zeitgenössischen weiblichen Betrachtungen ferner Länder, fremder Menschen und deren Sitten. Dazu kommen noch gesellschaftliche Tipps einerseits und andererseits die Empfehlungen mit gewohnter Bekleidung zu brechen. Schließlich klettert es sich schicklicher und vor allem besser ohne Krinoline auf die Pyramiden! Mein eigenes Archäologenherz hingegen war amüsiert durch den Eintrag von Lady Londonderry. Sie beklagte auf ihrer Skandinavienreise 1836 dass der Mann im Museum sich zu sehr an dem alten, wertlosen Plunder begeisterte. Nun daran hat sich bis heute nichts geändert! Bis in die Gegenwart gelingt es nur wenigen Archäologen ihre überschäumende Begeisterung auch Laien begreiflich machen. Vielleicht bedauerte Lady Londonderry sogar Christian J. Thomsen höchstpersönlich. Er publizierte das sog. Drei-Perioden-System (Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit) im selben Jahr und legte damit einen wesentlichen Grundstein für die Ur- und Frühgeschichtsforschung, was ihn aber nicht daran hinderte anscheinend ein waschechter Langweiler zu sein. Die Gründe, warum Frauen reisten, waren vielfältig. Für einige Frauen war es Befreiung von heimischen Zwängen, gesellschaftliche Notwendigkeit oder wissenschaftlicher Forschungsdrang die Beschwernisse von Reisen auf sich zu nehmen. Zu Fuß, in Sänften, reitend, in Kutschen, mit dem Schiff stellten sie sich der Herausforderung Neues zu erleben. Dass Reisen nicht immer angenehm war, zeigen die Berichte über Überfälle durch Räuberbanden, Piraten, betrügerische Wirte, Reiseführer und Händler sowie verdreckte Herbergen. Oft drängen sich aktuelle Vergleiche mit heutigen Verhältnissen auf. Viel hat sich nämlich nicht verändert. Auch heute werden Reisende verschleppt, beraubt, betrogen und an Grenzen schikaniert. Oft genug sind Hotels Bruchbuden und bereits bezahlte Rechnungen durch den Reiseveranstalter nicht gedeckt. Ausgestattet ist das ausgesprochen schön gestaltete Buch mit sehr vielen Abbildungen: Gemälde, Stiche, Fotos, Post- und Landkarten. Sie zeigen nicht nur die Frauen selbst oder deren Reiseziele, sondern machen auch die abenteuerliche Seite dieser Reisen deutlich. Ein umfangreicher Anhang mit Anmerkungen, Literaturnachweisen und Register machen das Buch zudem zu einer wertvollen Grundlage für die Beschäftigung mit reisenden Frauen. Alles in allem ist der Autorin ein ganz besonderes Buch über reisende Frauen gelungen. Man wird es immer wieder gerne zur Hand nehmen. Eines sollte man Behalten und eines Verschenken und zwar an Reiselustige beiderlei Geschlechts. Auf dem Wiener Zentralfriedhof befindet sich ein Grab einer Engländerin, die auf der Rückreise von Kairo in Wien starb. Der Grabstein ist gestaltet wie es in England um die Jahrhundertwende üblich war. Seitdem ich dieses Grab kenne, würde ich zu gerne die Geschichte jener Frau erfahren. Vielleicht hat auch sie Briefe geschrieben, ein Tagebuch geführt, aber auf jeden Fall ist sie ihrer Familie bis heute in Erinnerung geblieben, denn das Grab wird bis heute gepflegt. Das Buch von Barbara Hodgson hat mich jedenfalls noch neugieriger gemacht. © S. Strohschneider-Laue |
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