Ebensolch Rez-E-zine

 07/04

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Mamoun Fansa, Sabine Wolfram (Hg.)

Müll - Facetten von der Steinzeit bis zum Gelben Sack

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Verlag Philipp von Zabern und Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg 2003. Schriftenreihe des Landsmuseums für Natur und Mensch Heft 27. 264 S. zahlreiche Farbabb.

EUR 29,80

ISBN 3 8053 3284 X

Rezension

Am Müll können wir nicht vorbei. Tagtäglich produzieren wir mehr Müll als Gebrauchsgut und das ist umso bedauerlicher, wenn man bedenkt, dass unser Müll zugleich der Spiegel unserer Gesellschaft ist. Andererseits lebt gerade vom Müll menschlicher Zivilisation - eigentlich ebenso interessant wie bedauerlich, dass sich die Begriffe Zivilisation" und "Müll" nicht ausschließen - die ganze Wissenschaftsfamilie der archäologischen Disziplinen. Überfällig war daher schon längst eine umfassende Tagung (Müll-Facetten 23.-25.1.2003, Oldenburg) zu der immer brisanter werdenden Mülldiskussion. Von Altsteinzeit über die Gegenwart bis zu den wenig rosigen Zukunftsvisionen reichen die Aufsätze. Auf sieben Kapiteln sind 26 spannende Artikel verteilt.

Beginnend mit "Geschichte aus dem Müll: Die Archäologie", wird zunächst ein rein archäologischer Blick auf den historischen Schmutz geworfen. Es zeigt sich, dass Müll untrennbar mit Hygiene verbunden ist, diese wiederum an Vorschriften gebunden wird und letztlich Müll viel mehr als nur ein Umweltproblem darstellt. Müll war und ist ein Spiegel der Gesellschaft, genauso wie der Umgang damit - von der Entsorgung bis zum Recycling.

Das Kapitel "Die Deutschen und der Müll vom 19. und 20. Jahrhundert" rückt den Müll in greifbare Erinnerung. Einige Beiträge lassen nachgerade die Haare zu Berge stehen wie sorgfältig unsere Erinnerung bei Müllthemen auf "Vergessen" programmiert ist. Wie gravierend die gesellschaftlichen Unterschiede im Produzieren von Müll und im Umgang mit Müll abzeichnen, wird vor allem durch den Deutsch-Deutschen-Vergleich sichtbar.

In "Müll und Natur" zeigen die Autoren das außerordentlich empfindliche System anhand sehr augenscheinlicher und für jeden leicht nachvollziehbarer Beispiele auf. Weltweit werden Gewässer, vor allem die Meer und damit die Strände, zu Müllhalden.

Ein verstörender Blick über den europäischen Tellerrand ergänzt die vorangegangenen Beiträge  im Kapitel  "Müll - ein Problem der Entwicklungsländer". Am Beispiel Samoa wird das schon zuvor angesprochene Problem der Müllentsorgung im Meer noch drastischer geschildert. Zugegeben, auch ich hatte vergessen, dass der Ozean bereits zur Entsorgung für eine ganze Raumstation diente -mal ganz abgesehen von Atomtests, Giftcontainern und Tankerkatastrophen.

"Müll und Kulturwissenschaften" sind untrennbar, doch selten waren Artikel zu diesem Thema so unterhaltsam. Müll ist also doch nicht nur Unerwünschtes oder Funktionsloses, sondern durchaus auch etwas, dass seine Spuren durch die Literatur und Kunst zieht sowie zum forschungsgeschichtlichen Erkenntnisgewinn beiträgt. 

Im letzten Kapitel wird der Ausblick aus mehreren Perspektiven gewagt. "Müll: Heute und Morgen" beleuchtet aktuelle Probleme ebenso wie die moralische, psychologischen und sozialen Komponenten. In Anbetracht der aktuellen EU-Diskussion um geforderte Anteile an Verschmutzungsrechten stimmt vor allem der letzte Satz des letzten Beitrages von Bruno Natsch nachdenklich: Aber von dem Glauben an die güldene, hehre Abfallwirtschaft - eine Art selbstreparierendem Wirtschaftsmodell - davon müssen wir uns verabschieden.

Für Archäologen ist das Buch ein Muss für Nichtarchäologen ebenso.

© Sigrid Strohschneider-Laue

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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