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 08/04

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Carsten Niemitz

Das Geheimnis des aufrechten Ganges

eb_001_001_059.jpg (93722 Byte)

C.H. Beck 2004, 276 S., 85 Abb.

ISBN 3 406 51606 8

Rezension

Der Evolutionsbiologe Carsten Niemitz spürt dem Geheimnis des aufrechten Ganges nach. "Der Mensch stieg von den Bäumen", "Savannentier Mensch" und "aufrechter Gang zum Freiwerden der Hände" sind nur einige der Dogmen, die er unter die Lupe nimmt. Er geht diesen Lehrmeinungen auf den Grund und stellt die Frage, warum Menschen trotz aller funktionellen Nachteile trotzdem Zweibeiner sind.

Über Pinguine, Störche und Dinosaurier nähert er sich in vergleichender Weise der Thematik, lässt die Theorien zur Zweifüßigkeit Revue passieren und macht so auch den Neulingen auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie verständlich, was optimale Anpassung tatsächlich bedeutet. Zahlreiche anschauliche Beispiele helfen Skelettbaupläne zu verstehen und zeigen zugleich die Schwachpunkte der Konstruktion auf. Vieles kann der Mensch und noch mehr kann er nicht. Und alles was er kann, kann er nicht besonders gut. Ideale Voraussetzungen ein opportunistischer Generalist zu sein. Die menschlichen Augen sind schlecht, das Gehör schwach, der Geruchsinn armselig, das Gebiss unspezialisiert, von Schnelligkeit und Stärke keine Spur. Was trägt der aufrechte Gang zur Verbesserung dieser Mängel bei – außer Rückenschmerzen und Krampfadern? Ganz sicher ein Überlebensvorteil und das – wie zu bemerken - weltweit.

Summarisch stellt der Humanbiologe der FU Berlin gleich im ersten Kapitel die bisherigen Theorien zur Entwicklung des aufrechten Ganges vor, um anschließend akribisch an der amphibischen Theorie zu basteln. In ausgewählten Beispielen quer durch Zeit, Raum und Wissenschaft, von Archäologie über Ethnologie bis Soziologie, findet er passend zu seiner Theorie Belege für muschelessende Fischfans, die an Gewässerufern ihre Heimat gefunden haben.

Trotz ungebremster Fachlichkeit ist das Buch flüssig sowie humorvoll geschrieben. Die im Text eingestreuten unterhaltsamen soziokulturellen Vergleiche – "man(n) fährt Porsche, um endlich einmal schneller als die anderen zu sein" - treffen oft genug des Pudels Kern. Interessant ist vor allem die fächerübergreifende Betrachtungsweise des Phänomens der Zweifüßigkeit. Die Antwort bleibt Niemitz dennoch schuldig, obwohl seine moderatere amphibische Theorie überzeugender als das ältere aquatische Erklärungsmodell ist. Gerade deshalb sollte man das Buch gelesen haben, um selbst zu sehen, dass Evolution sich nicht einfach in ein Dogma verwandeln lässt.

Von einstigen watenden Wasserfans auf Besitzer von teuren Seegrundstücken von heute zu schließen, ist ein ziemlich dicker Fisch zum Schlucken, obwohl so manches davon ein schmackhaftes Filet ist.

© S. Strohschneider-Laue

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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