Ebensolch Rez-E-zine

 09/04

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Daniel Furrer

Wasserthron und Donnerbalken. Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens.

eb_001_001_067.jpg (41333 Byte)

Primus Verlag 2004, 192 S., 28 Sw-abb.

€ 19,90,  CHF 33,90

ISBN 3-89678-248-7

Rezension

Jeder von uns muss es tun. Täglich. Mehrmals. Gemeint ist natürlich der Gang zum stillen Örtchen und die Verrichtung jenes Geschäfts, über das man heute nur mit Zurückhaltung spricht. 

Daniel Furrer hat Fakten, Zahlen, Anekdoten und literarische Zeugnisse gesammelt und mit fundiertem Wissen und viel Liebe zum Detail eine faszinierende Kulturgeschichte dieses unscheinbaren, im Alltag jedoch durchaus wichtigen Ortes geschrieben. In seinem flott formulierten Text verfolgt er nicht nur, wie sich die Einstellung der Gesellschaft und des Individuums zur Verrichtung der Notdurft und der Umgang mit den Fäkalien im Laufe der Jahrhunderte veränderte, sondern er bezieht auch im Kontext stehende Themen wie die Entwicklung der Kanalisation, durch Exkremente übertragbare Krankheiten sowie wirtschaftliche †berlegungen mit ein. Doch damit nicht genug - Daniel Furrers Betrachtungsweise ist wahrlich holistisch. In zahlreichen Exkursen erfreut er den Leser/die Leserin mit wissenswerten Kleinigkeiten, deren inhaltliche Spannweite vom Bau der cloaca maxima in Rom über die Zweideutigkeit des Begriffs "Toilette" bis zu einer Hochrechnung der Anzahl der Tage, die Mann/Frau am WC verbringt, reicht.

Daniel Furrer beginnt seine Geschichte mit den spärlichen Nachweisen von Toiletten in den frühen Hochkulturen. Doch erst die Römer widmeten sich mit der ihnen eigenen Gründlichkeit auch dem Ort menschlicher Erleichterung. Sie führten ein Sammelsystem für Kot und Urin ein und bauten öffentliche Latrinen sowie Abwasserkanäle. Die Menschen des Mittelalters hingegen scheinen nicht viele Gedanken an die Beseitigung ihrer Fäkalien verschwendet zu haben. In den Städten landeten diese oft auf der Straße, in schmalen Rinnen (den sog. Ehgräben, die sich unter den Aborterkern befanden) oder direkt in einem Wasserlauf. Wer die Möglichkeit dazu hatte, baute sich eine Latrine mit Fäkaliengrube.

Erst in der Neuzeit kam es zu bahnbrechenden technischen Erfindungen und einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung zur Verrichtung der Notdurft. Bis zum heutigen hohen Standard der sanitären Einrichtungen war es jedoch ein weiter Weg, den Daniel Furrer aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet. Als Ausgangspunkt dient ihm der Hof des französischen Königs Ludwig XIV. Hier galt es als besonderes Privileg, zugegen zu sein, wenn der Herrscher auf dem Nachttopf saß. Die Verrichtung des königlichen Geschäfts in aller Öffentlichkeit wurde so zur Machtdemonstration.

Der Siegeszug der wassergespülten Toilette ist den Engländern zu verdanken. Den Anfang machte Sir John Harington im 16. Jahrhundert mit einem Klappenklosett. Es war kein durchschlagender Erfolg. Erst nach 1775 setzte eine rasante Entwicklung ein, zu deren Ergebnissen neben verbesserten Klappenklosetts, Pfannen-, Trichter-, Flachspül-, Tiefspül- und Absaugklosett gehörten. Bevor sie jedoch weite Verbreitung finden konnten, mussten einige Vorraussetzungen erfüllt werden. Der Kampf um die Regelung der Wasserversorgung und den Bau einer Kanalisation, der am Beispiel von London und Paris gezeigt wird, liest sich wie ein Krimi. Erst die Angst vor den verheerenden Choleraepedemien und die Fortschritte der Bakteriologie, durch die die Miasmenlehre überwunden werden konnte, machten Veränderungen möglich.

Der Entwicklung der öffentlichen Bedürfnisanstalten, dem Problem sich auf Reisen zu erleichtern und den enormen Schwierigkeiten der Fäkalienbeseitigung im Krieg sind weitere Abschnitte des Buches gewidmet.

Nichts für zarte Gemüter ist das Kapitel über die durch Exkremente übertragbaren Krankheiten. Wer es gelesen hat, wird vermutlich nie wieder darauf vergessen sich nach dem Klogang die Hände zu waschen und dankbar für Seife und Toilettenpapier zu sein.

Nicht zuletzt mag es den Menschen des 21. Jahrhunderts erstaunen, dass es für die Mehrheit der Bevölkerung den Luxus der wassergespülten Toilette im eigenen Heim erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt.

Daniel Furrers Buch "Wasserthron und Donnerbalken" ist unterhaltsam, spannend und lehrreich von der ersten bis zur letzten Seite und somit eines der Besten kulturhistorischen Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe.

© Ch. Ranseder

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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