Ebensolch Rez-E-zine

 13/04

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Penelope Hobhouse

Der Garten. Eine Kulturgeschichte

Dorling Kindersley 2003, 468 S. zahlreiche Abb.

49,90

ISBN 3 8310 0481 1

Rezension

Die Sehnsucht nach einem Flecken Erde auf dem es üppig grünt und blüht ist so alt wie die Menschheit. Das Aussehen der von fleißigen Gärtnern angelegten Paradiese wiederum ist so unterschiedlich wie die Kulturen, Landstriche und Zeiten in denen sie entstanden.

Penelope Hobhouse schildert in "Der Garten" die abwechslungsreiche Geschichte des Gärtnerns in dreizehn Kapiteln. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Europa, sondern berücksichtigt auch die Gärten die islamischen Gärten des Nahen Ostens sowie jene Nord- und Südamerikas, Japans und Chinas. Selbst eine anerkannte Gartengestalterin, bezieht Penelope Hobhouse in ihre mit virtuoser Leichtigkeit geschriebene Kulturgeschichte auch ausschlaggebende praktische Faktoren bei der Anlage eines Gartens mit ein. Sie zeigt wie sehr Topographie, Boden, Klima und vor allem die Versorgungsmöglichkeiten mit Wasser Gartenkonzepte beeinflussen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der weltweiten Ein- und Ausfuhr von Pflanzen für das Aussehen der Gärten. Dass Penelope Hobhouse auch die Geschichte dieses Austauschs zwischen Kontinenten erzählt, Portraits von Botanikern, Pflanzensammlern, Gärtnern und Gartenpublizisten zeichnet und Wege der Vermehrung und Weitergabe botanischen Wissens durch wissenschaftliche und populäre Publikationen verfolgt, macht ihr Buch zu etwas Besonderem.

Am Anfang stand der Nutzgarten. Bald wurden aber auch ästhetische Prinzipien bei der Anlage eines Gartens berücksichtigt. Bereits in den frühen Hochkulturen des Zweistromlandes bereiteten große Jagdparks und auf Terrassen angelegte Gärten den Herrschern Vergnügen. Die Ägypter gaben ihren Toten sogar Modelle der kleinen, ummauerten Gärten mit ins Grab. Den Griechen ging es mehr um botanisches Wissen als um Gartenkunst. Die hoch entwickelten römischen Gartenanlagen hingegen beeinflussten die europäische Gartengeschichte über Jahrhunderte hinweg. Doch Gärten sind empfindliche, leicht vergängliche Schöpfungen. Sie brauchen ständige Pflege und Aufmerksamkeit. Nach dem Niedergang der römischen Zivilisation erlebte die Gartengestaltung in Europa eine lange Durststrecke, in der viel Wissen verloren ging. Erst aus dem Ende des in allen Lebensbereichen von der Kirche dominierten Mittelalters mehren sich wieder die Belege für ein Interesse an Gärten und Pflanzen.

Penelope Hobhouse führt deutlich vor Augen, wie sehr der allgemeine Wissensstand und die Mentalität einer Zeit Gärten prägten. Die Renaissance mit ihrem wiedererwachenden Interesse an der Antike brachte die Gärtnerei zu einer neuerlichen Hochblüte. Die Entdeckung der Perspektive, die Entwicklung der Proportionslehre, der technische Fortschritt in der Mechanik und humanistisches Gedankengut trugen zur Entstehung von Gartenanlagen bei, in denen Natur und Kunst ein harmonisches Gleichgewicht bildeten. Im darauf folgenden Barock übernahm Frankreich die Vorreiterrolle. Die streng geometrischen Gärten demonstrierten mit ihrer linearen Perfektion, den präzisen Formen der Parterres und dem Formschnitt von Bäumen und Sträuchern die Unterwerfung der Natur. In Verbindung mit Brunnen, riesigen Wasserbecken, Statuen und Orangerien machte dies aus den Gärten Demonstrationsobjekte von Macht und Reichtum.

Der englische Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts hingegen brach mit der Tradition. Er stellte die Natur wieder in den Mittelpunkt und kann damit als Reaktion auf das französische Gartenkonzept verstanden werden. Viele der herausragenden Gartenanlagen im französischen Stil fielen der neuen Mode zum Opfer und mussten Parks mit weiten Rasenflächen, lockeren Baumgruppen und malerischen Ausblicken weichen. Der Faszination, die China im 18. Jahrhundert auf die Europäer ausübte, sind in den Gärten die hübschen chinesisch inspirierten Pagoden, Pavillons und Brücken zu verdanken.

Die überladenen, eklektischen Gärten des 19. Jahrhunderts griffen hingegen gerne wieder auf Elemente der strengen Formtradition zurück. Zu ihrem hervorstechendsten Merkmal wurde jedoch die Liebe zu exotischen Pflanzen und üppigen Teppichbeeten. Erst am Ende des Jahrhunderts zeichnete sich eine Rückkehr zum Naturalismus ab, der für das 20. Jahrhundert stilprägend wurde. Einen nachhaltigen Einfluss begann um 1900 die zeitlose, spiritualistisch geprägte Gartenkultur Japans auszuüben. Die Kunst des japanischen Gartens liegt in der Beschränkung und der Bevorzugung einheimischer Pflanzen. Zu den wichtigsten Gestaltungselementen gehören Steine, Wasser und in Form geschnittene Bäume und Sträucher. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ging der Naturalismus in die Besinnung auf einen ökologischeren Umgang mit der Natur über. In einem fortdauernden Prozess hat sich die Gartenkultur mittlerweile so weit internationalisiert, dass sich heute keine länderspezifischen Gartenstile mehr unterscheiden lassen.

Penelope Hobhouse macht deutlich, wie vielschichtig die Kulturgeschichte des Gartens ist. Sie zeigt sowohl Traditionsketten als auch den Bruch mit Althergebrachtem, denn die Schaffung von Gärten ist ein Balanceakt zwischen Tradition und Innovation.

Das Buch "Der Garten" ist voll gepackt mit Information, die sich auf mehrere Textebenen verteilt. Im Haupttext erzählt Penelope Hobhouse die fortlaufende Geschichte der Gärten. Vergleiche mit heutigen Praktiken helfen dabei historische Konzepte besser zu verstehen. Längere Exkurse zu bestimmten Themen werden in farbig hinterlegten Textkästen dargeboten. Dazu zählen Gartenbeschreibungen, Porträts wichtiger Personen oder Pflanzen, Elemente der Gartengestaltung etc. In der Marginalspalte sind kurze Begriffserklärungen, Namensherleitungen, Kurzbiographien usw. zu finden. Ausführliche Abbildungsunterschriften schließlich erklären das Dargestellte.

Das reiche Bildmaterial ist eine Augenweide. Penelope Hobhouse durchforstete die kunstgeschichtlichen Quellen und erfreut die LeserInnen mit Abbildungen von wunderbaren Miniaturen, Gemälden, Stichen, Fresken, sowie Fotografien noch heute existierender Gärten. Altbekanntes ist darunter ebenso zu finden wie manche Überraschung.

Penelope Hobhouses ganzheitliche Sicht der Gartenkultur macht das Buch "Der Garten" zu einer ausgezeichneten Investition. Für Einsteiger ist es ideal, weil es einen guten Überblick über die Gartengeschichte bietet. Für Fortgeschrittene erweist es sich als reich sprudelnde Quelle von Information und Bildmaterial und damit ideales Nachschlagwerk. In jedem Fall ist "Der Garten" ein Buch das die LeserInnen Jahre begleiten und Freude bereiten wird.

© Ch. Ranseder

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