Ebensolch Rez-E-zine

 21/06

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Sabiene Autsch, Michael Grisko, Peter Seibert (Hg.)

Atelier und Dichterzimmer in neuen Medienwelten. Zur aktuellen Situation von Künstler- und Literaturhäusern

transcript 2005,

266 S., zahlr. SW-Abb.

€ 27,80

ISBN 3 89942 314 3

Rezension

Das Ausstellungswesen hat in den letzten hundert Jahren eine enorme Entwicklung durchgemacht. Heute wird von dieser facettenreichen Disziplin erwartet, dass sie viele Anforderungen und Erwartungen erfüllt. Ausstellungen müssen den präsentierten Objekten gerecht werden, sollen Besucher unterhalten und bilden, Wissenschaftlern/Kuratoren die Möglichkeit geben sich zu profilieren und der veranstaltenden Institution zu einem positiven Image verhelfen. In Zeiten schrumpfender Förderungen durch die öffentliche Hand erhalten Ausstellungen zunehmend auch eine wirtschaftliche Bedeutung sowohl für die Institutionen selbst als auch, quasi als Umwegrentabilität, für deren Standorte - man denke an Schlagworte wie Ausstellungstourismus und Stadtmarketing. Dabei haben Dauerausstellungen ein anderes Verfallsdatum als die oft in der Art eines Events inszenierten Sonderausstellungen. Der wachsende Erfolgsdruck und die damit einhergehende Professionalisierung der Branche einerseits, die zu Experimenten einladende Wandlungsfähigkeit des Mediums andererseits haben Ausstellungen zu einer eigenständigen Kunstform werden lassen, die über eine inhärenten spezifischen Gesetzmäßigkeiten gehorchende Ästhetik verfügt.

Wie aufgeschlossen sich eine Institution gegenüber der sich stetig weiterentwickelnden Sprache des Ausstellens zeigt, welche Strategien letztendlich verfolgt werden, hängt von vielen Faktoren ab. Die Faszination liegt nicht zuletzt in der Vielfalt unterschiedlicher Möglichkeiten und inhaltlicher Herangehensweisen, wie die Beiträge der 17 Autorinnen und Autoren von "Atelier und Dichterzimmer in neuen Medienwelten" lebhaft vor Augen führen. Das aus einem Forschungsprojekt hervorgegangene Buch zeigt unterschiedliche Interpretations- und Präsentationsansätze von Ausstellungsmachern und -theoretikern in Künstler- und Literaturhäusern.

Gerade das Künstleratelier hat während des letzten Jahrhunderts einen Bedeutungswandel von der Produktions- zur Versuchsstätte erfahren. Abseits der Apotheose zur auratischen Pilgerstätte kann seine Inszenierung sowohl holistisch mittels eines jahrelangen Prozesses des Ansammelns von Requisiten, der in der öffentlichen Ausstellung kulminiert, als auch pars pro toto, z. B. als eine Tischplatte mit in der Zeit "eingefrorenem" Stillleben a la Spoerri, erfolgen. Wie anhand der Dokumenta gezeigt werden kann, findet in den Arbeiten der Gegenwartskunst zusehends auch eine Verschränkung von bildender Kunst und Literatur statt.

Gedenken und Erinnern ist oftmals ein zentrales Anliegen von Künstler- und Literaturhäusern. Da dem Nachlass eines einzelnen Künstlers als Ressource Grenzen gesetzt sind, liegt es nahe die Forschung auf verwandte Themen auszuweiten und Ergebnisse in entsprechenden Ausstellungen zu präsentieren, um das Interesse der Besucher aufrecht zu erhalten. Der Einsatz sog. neuer Medien eröffnet sowohl Möglichkeiten das Informationsangebot zu vertiefen als auch experimentelle interaktive Wege zu beschreiten.

"Atelier und Dichterzimmer in neuen Medienwelten" hält in einer Zeit des Umbruchs den derzeitigen Stand der Diskussion zur Ausstellungspraxis in Künstler- und Literaturhäusern sowie den damit einhergehenden theoretischen Diskurs fest. Im Spannungsbogen zwischen Authentizität und Inszenierung wird in den zum Teil (leider kleinstformatig und schwarzweiß) bebilderten Beiträgen über Entstehungsgeschichten, Ausstellungskonzepte, Programme und die Überlebensstrategien von Künstler- und Literaturhäusern an der Schwelle des 21. Jahrhunderts berichtet. Ausführlich vorgestellt werden unter anderem das August-Macke-Haus Bonn, das Gerhard-Marcks-Haus in Bremen, das Centre Dürrenmatt Neuchâtel, das Brecht-Haus Berlin, das Brückner-Kühner-Haus in Kassel, das Lessinghaus in Wolfenbüttel, das Schiller-Nationalmuseum und das Literaturmuseum der Moderne in Marbach sowie diverse Erinnerungsstätten der Gebrüder Grimm.

Auf der Seite der bildenden Kunst erfolgt ein Blick auf das Ernst Ludwig Kirchner Museum Davos und die Käthe-Kollwitz-Gedenkstätte Moritzburg sowie auf Ateliers und Arbeiten der KünstlerIn Gabriele Münter, Ernst Barlach, Georg Kolbe, Max Liebermann, Dieter Roth, Joseph Beuys und Daniel Spoerri u. a.

© Ch. Ranseder 16.01.2006

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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