Ebensolch Rez-E-zine

 21/06

 
 

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Susanne Nadolny (Hg.)

Gelebte Sehnsucht. Grenzgängerinnen der Moderne

Edition Ebersbach 2005, 208 S., zahlr. SW-Abb.

€ 25,00

ISBN 3 938740 01 9

Rezension

Heute stehen Frauen Möglichkeiten offen, von denen ihre Geschlechtsgenossinnen vor 100 Jahren nur träumen konnten. Obwohl Frauen noch immer wirtschaftlich benachteiligt sind, die Entscheidung zum Kind in den meisten Fällen den Verzicht auf die eigene Karriere bedeutet und die Ausgrenzungsmechanismen im Rahmen von Ausbildung und Beruf keineswegs verschwunden, sondern nur subtiler geworden sind, lässt es sich nicht leugnen, dass es für Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts einfacher geworden ist, ihr Leben selbst zu bestimmen. Zu verdanken ist dies nicht nur den engagierten Kämpferinnen für Frauenrechte und Gleichberechtigung, sondern auch jenen Frauen, die - abseits einer politischen Agenda - vorgelebt haben, dass es möglich ist, sich von den traditionellen Rollenbildern zu lösen und einen eigenen Weg zu gehen.

Susanne Nadolny stellt in dem von ihr herausgegebenen Buch "Gelebte Sehnsucht. Grenzgängerinnen der Moderne" acht Pionierinnen vor, die den Mut aufbrachten, ihr Leben nach eigenen Wünschen zu gestalten. Nancy Cunard, Claire Goll, Helen Hessel, Mina Loy, Katherine Mansfield, Dorothy Parker, Annemarie Schwarzenbach und Elsa Triolet wuchsen in bürgerlichen Verhältnissen und materiellem Wohlstand auf. Sie waren gebildet, talentiert und hungrig nach neuen Erfahrungen. Jede von ihnen brach mit dem konventionellen Rollenbild der Ehefrau und Mutter. Anstatt eines sorglosen, materiell abgesicherten aber langweiligen Lebens nach den Regeln der bürgerlichen Gesellschaft zogen sie es vor, eigene Lebensentwürfe zu entwickeln und  konsequent umzusetzen. Der erste Schritt zur Selbstverwirklichung erforderte Mut, auch wenn eine Ehe als Sprungbrett diente. Nicht alle hatten Glück bei der Wahl ihrer Partner, viele verließen ihre Ehemänner wieder und stürzten sich ins Beziehungskarussell, einige ließen sich auf Liebschaften zu Dritt ein. Nicht weniger flexibel waren die in "Gelebte Sehnsucht" porträtierten Frauen bei der Wahl ihrer Wohnsitze. Ihre Kraft, immer wieder von Neuem zu beginnen, scheint grenzenlos gewesen zu sein. So unterschiedlich ihre Lebenswege auch waren, eines hatten diese acht Frauen dennoch gemeinsam: Ihre Zugehörigkeit zur Oberschicht und die damit einhergehende mehrsprachige Erziehung öffnete ihnen, wo immer sie sich auch ansiedelten, die Türen zu Künstlerkreisen und der Boheme.

Die Milionenerbin Nancy Cunard gründete einen Verlag, schrieb Reportagen über den Spanischen Bürgerkrieg und schockte mit ihrem Engagement für die Schwarzen.

Die Dichterin, Journalistin und Übersetzerin Claire Goll setzte sich nach dem Tod ihres Mannes mit aller Kraft für dessen Lebenswerk ein.

Die lebenslustige, aus Berlin stammende Wahl-Pariserin, Helen Hessel arbeitete als Journalistin und wurde selbst Vorbild für die Figur der Catherine in Henri-Pierre Rochés Roman Jules et Jim.

Die in London geborene Mina Loy ließ ihre Kinder in Florenz zurück, um sich in New York als Schriftstellerin zu versuchen.

Die Neuseeländerin Katherine Mansfield, verfolgte trotz schwieriger Umstände und der Erkrankung an Tuberkulose konsequent ihre Karriere als Schriftstellerin.

Die durch ihr freches Mundwerk bekannt gewordene Dorothy Parker schrieb für Vogue und Vanity Fair, verfasste Filmskripts und hatte Erfolg mit mehreren Gedichtbänden.

Die Schweizerin Annemarie Schwarzenbach durchstreifte als Reisejournalistin die Welt und zerbrach an ihrer Homosexualität und Drogensucht.

Elsa Triolet, die in Moskau das Licht der Welt erblickte, entwarf in ihrer Wahlheimat Frankreich Modeschmuck, kam als Schriftstellerin zu großem Ruhm und kämpfte während des 2. Weltkrieges in der Résistance.

Wer sich den gängigen Konventionen nicht fügt, zahlt einen hohen Preis: Einsamkeit, Momente der Verzweiflung, Entfremdung vom Elternhaus und die unerfüllte Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung waren Risiken mit denen diese acht Frauen zu leben lernten.

Die in "Gelebte Sehnsucht. Grenzgängerinnen der Moderne" versammelten und mit historischem Bildmaterial illustrierten Kurzbiografien von Nancy Cunard, Claire Goll, Helen Hessel, Mina Loy, Katherine Mansfield, Dorothy Parker, Annemarie Schwarzenbach und Elsa Triolet rufen das Leben einiger unangepasster Frauen in Erinnerung. Sie stehen stellvertretend für die vielen unbekannten lebenshungrigen Frauen, die allen Widerständen zum Trotz ihren eigenen Weg gingen, deren Lebensgeschichte aber für immer verloren ist.

© Ch. Ranseder 16.01.2006

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