Ebensolch Rez-E-zine

 22/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Reinhold Gayl

Geheimnisse im Regenwald. Von Aufsitzern, Trittbrettfahrern und Würgern

Geheimnisse im Regenwald

öbv&hpt 2005, 176 S., zahlr. Farbabb.

€ 26,80

ISBN 3 209 04801 0

Rezension

Es gibt sie doch, die lesenswerten wissenschaftlichen Fundgruben, die so genial geschrieben sind, dass sie bis zur letzten Seite fesseln. Gehaltvoll und zugleich spannend zu erzählen, ist ein seltenes und unter Wissenschaftern meist verpöntes Talent. Reinhold Gayl besitzt dieses Talent in so reichem Maß wie das Füllhorn der Natur die Vielfalt des Regenwaldes.

Er berichtet vom Fantastischen, Besonderen und von den Zusammenhängen, der Konkurrenz und den Einfallsreichtum der Regenwaldbewohner. Fast nebenbei wird verständlich wie sich die Puzzelteile des Lebens bedingen, wie Abhängigkeiten entstehen. Es wird dabei nicht explizit auf die katastrophale Bedeutung der fortschreitenden Zerstörung der Regenwälder eingegangen. Zu der Erkenntnis, was passiert, wenn in ein komplexes System (zer)störend eingegriffen wird, kommen selbst biologisch und ökologisch wenig geschulte oder junge LeserInnen von selbst. Mit dem nötigen Fachvokabular, wie z. B.  Synergie, Symbiose, Mutualismus, Ko-Evolution, wird nicht schamhaft hinter dem Berg gehalten, sondern es fließt - exzellent erklärt - in den Text ein.

In dreißig ökologischen Kurzgeschichten erzählt er vom grünen Paradies, in denen Aufsitzer, Fallensteller, Parfumeure, Wundertüten und Trittbrettfahrer wohnen sowie unterirdische Gärten und Wasserwelten in Wipfeln zu finden sind. Seine flockig-locker geschriebenen Texte, zeigen welche unglaubliche Überlebensstrategien Pflanzen in Sachen Nährstoffbeschaffung, Fortpflanzung und Selbstschutz entwickelt haben. Insekten, Vögel und Fledermäuse sind ihre Fortpflanzungsassistenten. Zielgruppenorientiert locken sie diese mit Düften - die für uns Menschen nicht immer Wohlgeruch bedeuten -, bezahlen zuweilen freigiebig mit Süßigkeiten, sperren ihre Bestäuber über Nacht sicherheitshalber ein, halten sich Privatarmeen und kommen auf noch mehr unglaubliche Lösungen zum eigenen Wohl. Aber es ist nicht nur der Formenschatz der Pflanzen, sondern es sind auch die Lebenswelten, die sie schaffen voller Überraschungen. Wahre Wasserparadiese bauen sie in den Baumwipfeln. Die Wassertanks von Bromelien bieten fischfreie Lebensräume, die von Bakterien über Insekten und Lurche bis hin zu Krabben genutzt werden. Wobei sich vor allem die Krabben bei der Pflege ihres Minitümpels als erfahrene Aquarianer hervortun.

Und was bringt uns der Regenwald? Wenn man schon nicht die grüne Lunge der Erde und ihre Klimafunktion im Sinne hat, sollte man an nachhaltige Ressourcen, den vernünftigen Umgang mit dem Bestand vorausgesetzt, denken. Das Ernten von Früchten und Medizinalpflanzen bringen kurz- und langfristig mehr ein als gefällte Edelhölzer. So ist Naturkautschuk ist aus dem Alltag noch immer nicht wegzudenken. Autoreifen und Kondome haben mehr somit gemeinsam als die meisten ahnen. Auch Tiere sind nicht nur zum Aufessen und Verarbeiten der unverdaulichen Teile geeignet, vor allem wenn man von der Bedeutung der Gürteltiere für die Lepra-Forschung gelesen hat.

Ein wunderbares Buch zu einem fairen Preis, das ein etwas hübscheres Layout mit noch mehr Fotos verdient hätte. Was mich aber nicht davon abgehalten hat, ein Exemplar mit Zufriedenheit meiner Bibliothek einzuverleiben und zwei weitere Bände zu verschenken.

© S. Strohschneider-Laue 25.01.2006

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