Ebensolch Rez-E-zine

 23/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Viktoria Hausmann (Hg.)

Philippe Halsman, The Frenchman

Taschen 2006, 108 S.

€ 14,99

ISBN 3 8228 4666 X

Rezension

Ein genialer Charaktermime mit sprechendem Gesicht und ein ebenso genialer Fotograf führten 1948 ein ungewöhnliches fotografisches Interview, das Geschichte schrieb. Aussagekräftiger als tausend Worte fing damals Philippe Halsman (1906-1979) die Aussagen des französischen Mimen Fernandel (1903-1971) ausschließlich mit seiner Kamera ein. Über 50 Jahre war das fotografische Interview vergriffen, jetzt endlich  wieder - mit einem Vorwort von Art Buchwald - erhältlich.

Ferandel, der in Österreich und Deutschland vor allem durch seine Don Camillo Filme bekannt ist, blickte auf eine umfangreiche Bühnen und Filmerfahrung zurück als er mit Philippe Halsman in New York zusammentraf. Halsman hingegen hatte bereits, u. a. als gefeierter Titelfotograf für das Life-Magazin, fotografischen Ruhm erlangt. Halsman stellte die Fragen und fotografierte Fernandels ausdrucksstarken wortlosen Antworten. Das Ergebnis fasziniert und unterhält, zeigt es doch die Brillanz beider Künstler - und das ein gutes Foto und ein sprechendes Gesicht mehr ausdrücken können als tausend Worte.

Auch sind die Antworten auf die Fragen noch immer gültig. Allein das sorgenvoll in Falten gezogene Pferdegesicht Fernandels auf die Frage "Was halten Sie von der internationalen Lage" hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Andererseits spricht das genüsslich breite Lächeln bereits Bände bevor man die Frage liest: "Stimmt es, dass der Durchschnittsfranzose im Gedränge immer noch hübsche Mädchen kneift? Das Schlimme an diesem Lächeln ist, dass man es ihm das "ja" ansieht und es trotzdem verzeiht.

Die Frage "Glauben Sie nicht auch, dass die Überlegenheit der modernen Kunst darauf beruht, dass sie sich in das Reich des Irrealen zurückzieht und dadurch in die Libidosphäre des Unterbewusstseins eindringt?" nötigt den LeserInnen angesichts der gegenwärtigen Kunstentwicklung und den zugehörigen Formulierungen eine mildes Lächeln ab. Identifizieren kann man sich allerdings sofort mit dem verstört blickenden Fernandel, der anscheinend am Versuch scheitert, die fragliche Kunst vom aufgeblasenen Verkaufsgespräch zu trennen.

Schade, dass er heute keine so beredete Antwort mehr geben kann und schade, dass niemand sie in dieser Art festhält.

Eine vergnüglich-nachdenkliche Publikation, die man nur ungern ins Regal schiebt.

© S. Strohschneider-Laue   20.04.2006

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