Ebensolch Rez-E-zine

 23/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Kerstin Dörhöfer

Pionierinnen in der Architektur

Wasmuth 2004, 221 S., zahlr. SW-Abb.

€ 29,80

ISBN 3 8030 0639 2

Rezension

Eine Baugeschichte der Moderne ist ohne Frauen nicht denkbar. Das faszinierende Buch über die ersten Architektinnen ist zugleich ein wertvoller Beitrag zur Frauengeschichte. Es geht in diesem überaus spannenden Buch nicht darum diese frühen Architektinnen einem Werkvergleich mit den Arbeiten männlicher Kollegen zu unterziehen. Sie waren genauso Kinder ihrer Zeit, die auf die gleichen Materialien zurückgriffen und Kundenwünschen, die konventioneller oder moderner sein konnten, unterworfen waren. Das Wichtige und Interessante daran ist, dass es Frauen waren, die an der baulichen Gestaltung beteiligt waren. Sie strebten keinen eigenen weiblichen Baustil an, sie kannten einander mehr oder weniger gut, verbündeten sich aber nicht zu solidarischen Gemeinschaften, setzten sich selbst keine Baudenkmäler, sondern lieferten gute architektonische Lösungen.

Vom ausgehenden Kaiserreich bis zum Wiederaufbau während der Nachkriegsjahre spannt die Autorin den Bogen. Minutiös zeichnet sie den Werdegang der Architektinnen und deren wichtigsten Bauten und Novitäten nach.

Emilie Winkelmann (1875-1951) macht unter ihnen den Auftakt. Sie war die erste Architektin Deutschlands, sie ist zugleich die Pionierin mit dem längsten Werkverzeichnis. Das Studium war ihr als Frau um die Jahrhundertwende verwehrt. Ihre Studienzulassung zwischen 1902 und 1907 verdankt sie der Verwechslung mit einem Mann, da im Zulassungsgesuch ihr Name lediglich mit E. Winkelmann angegeben war. Trotz Studienerfolgs wurde ihr im allerletzten Moment das Staatsexamen verweigert. Ein Architekturbüro hat sie aber trotzdem und extrem erfolgreich eingerichtet. Die verantwortungsbewusste Architektin war eine ebenso pragmatische wie energische Baumanagerin, was sich auch an ihrem umfangreichen Werkverzeichnis erkennen lässt. Trotzdem ist ihr Name nicht so allgegenwärtig wie u. a. der von Margarete Schütte-Lihotzky, die für ihre genialen - praktischen und sparsamen - Gebrauchslösungen in Wohnungen bekannt wurde. Insbesondere ihre "Frankfurter Küche", die zwischen 1926 und 1930 in 10.000 Wohnungen eingebaut wurde, ist bis heute im allgemeinen Gedächtnis verankert. Es ist anscheinend leichter für Kritiker und Verbände die verdiente Anerkennung an Architektinnen zu verteilen, wenn sie sich auf kleine finanzierbare Wohnlösungen, Küchenausstattung und Wohnungsbehübschung, Kindergärten und andere Bauten geringeren Prestiges und vermutlich auch Budgets beschränken. Was leider die zugrunde liegenden Leistungen der Architektinnen jener Objekte oft nicht genügend würdigt. In diesem Zusammenhang wäre ein Vergleich mit zeitgenössischen Aussagen über die Arbeit männlicher Architekten sicher höchst aufschlussreich.

Die Werke der Pionierinnen Eileen Gray, Gertrude Lincke, Ella Briggs, Paul Maria Chantal, Stefanie Zwirn, Hildegard Dörge-Schröder, Gretel Norkauer, Gertrude Droste, Liselotte von Bonin, Lilly Reich, Marlene Poelzig, Martina Richter, Marie Frommer, Gerdy Troost, Marilene Hermann, Margot Weymann, Luise Seitz und Ludmilla Herzenstein werden ebenso detaillierter Betrachtungen unterzogen. Jedes Kapitel bietet einen hochinteressanten Überblick zu Zeit-, Lebens- und Werkgeschichte, deren soziologische Analyse vermutlich den Rahmen gesprengt hätte.

Das exzellent gegliederte Buch lässt durch sein geschicktes Layout und gut gesetzte Typographie die Originalzitate sofort erkennen. So kann man auch die Stimmen von Kollegen, Kritikern, Auftraggebern und Angehörigen - vom Zusammenhang getrennt - herauspicken.

Der Anhang enthält Biografien der Architektinnen mit Werksverzeichnis und - soweit vorhanden - Fotos. Anmerkungen, Literatur und Namensregister schließen den mit finanzieller Unterstützung seitens der Universität der Künste Berlin, der IKEA Stiftung und privaten Spenden gedruckten Band.

© S. Strohschneider-Laue   20.04.2006

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

Siteinfo

retour

Index

Impressum

Newsletter

Pionierinnen in der Architektur

Jetzt suchen:
Amazon-Logo

ars mundi - Die Welt der Kunst im Internet

Außergewöhnliche Erlebnis-Geschenke

Abebooks.de - Antiquarische und gebrauchte Bücher

Kulturkonzepte und Texte

retour