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 26/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Tulga Beyerle, Karin Hirschberger

Designlandschaft Österreich. 1900-2005

Designlandschaft Österreich

Birkhäuser 2006, 256 S. mit 220 Farb- und 44 Sw-abb.

€ 24,90

ISBN 3 7643 7328 8

Rezension

"Designlandschaft Österreich 1900-2005" ist ein vielschichtiger Sammelband. Und das nicht nur, weil er sieben Beiträge von Gastautoren, ein chronologisches Lexikon und eine Adressensammlung miteinander vereint. Der Überblick über Tendenzen, Positionen und Protagonisten des Designs wird nicht isoliert dargeboten, sondern konsequent mit der bewegten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschichte Österreichs in Beziehung gesetzt.

Wie ein roter Faden zieht sich das Bemühen durch das Buch aus den teils unter widrigsten Bedingungen erbrachten Designleistungen eine "österreichische" Produktsprache herauszuarbeiten - die in letzter Konsequenz zur Stärkung der nationalen Identität und zur Selbstdarstellung des Landes instrumentalisiert werden kann. Es sind die sich daraus ergebenden zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten der dargebotenen Informationen und die latent mitschwingende österreichische Mentalität, die das Buch so spannend machen.

Neben dem historischen Zugang zum Thema sticht die eng gefasste Definition von Design ins Auge. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf Möbel-, Industrie- und Produktdesign. Textilien, Schmuck und andere Accessoires sowie handwerkliche Objekte werden nicht berücksichtigt. Andererseits zeigt der thematische Rahmen eine gewisse Elastizität: Besondere Aspekte der Designkultur Österreichs werden losgelöst von den lexikalischen Einträgen in ausführlicheren Beiträgen präsentiert.

Christian Witt-Dörrings brillianter Essay "Kreative Ambivalenz", in dem er die österreichische Designmentalität analysiert, eröffnet den Reigen.

Ute Woltron widmet sich in "Geliebte Institution" dem Interior Design in Form des Wiener Kaffeehauses.

Wolfgang Pauser ist in "Fluchtraum der Selbstaneignung" auf der Spur des Nationalsports Skifahren sowie der dafür benötigten Infrastruktur und Gerätschaften.

Gabriele Koller beschäftigt sich in "Zwischen tool und touch" mit innovativem Produktdesign.

Lilli Hollein berichtet in "Konservierte Zukunft" Über die gelungene Symbiose von geliebten Traditionen, Handwerkskunst und modernem Design.

Doris Knecht erfreut sich in "Lieber ein Achterl" an formvollendeten Alltagsgegenständen - vom Achterlglas bis zum Pez Dispenser - und typisch österreichischen kulinarischen Genüssen.

Brigitte Felderer stellt in "Selbstentwurf und Körperformular" herausragende österreichische Modeschöpfer vor.

Erwin K. Bauer schließlich umreißt in "Die Stimme der Straße" die Entwicklung des Grafikdesigns anhand des Kommunikationsmittels Plakat.

Das chronologische Lexikon, dem Tulga Beyerle und Karin Hirschberger eine kurze Geschichte der österreichischen Designkultur vorangestellt haben, umfasst 100 Einträge. In knappen, von Bildern begleiteten Kurzbiografien werden 49 Einzelpersonen, 12 Zusammenschlüsse mehrerer Designer/Architekten, 33 Unternehmen und sechs Institutionen vorgestellt. Geht man davon aus, dass die Auswahl nicht nur geschickt, sondern auch repräsentativ ist, dann stechen zwei Phänomene ins Auge. Erstens: Designer sind mobil. Die "Designlandschaft" Österreichs ist durch eine grenzüberschreitende Fluktuation gekennzeichnet. Diese Tendenz hängt nicht ausschließlich mit dem Zweiten Weltkrieg, der viele Kreative zur Emigration zwang, zusammen. Die meisten der porträtierten österreichischen Designer haben Auslandserfahrung gesammelt, viele von ihnen sind erst gar nicht mehr zurückgekommen. Andererseits zog es Kollegen aus den Nachbarländern nach Österreich, um hier zu arbeiten und oft auch zu bleiben.

Zweitens: Die Branche erscheint männlich dominiert. Gerade einmal neun Frauen, von denen vier mit einem männlichen Kollegen ein Team bilden, sowie eine Firma, an deren Erfolg Frauen maßgeblich beteiligt waren, haben Aufnahme in das chronologische Lexikon gefunden.

Bei diesen und anderen Beobachtungen leisten die originellen "Thematischen Buchpläne" gute Dienste. So konventionell die äußere Form des Buches durch den Verzicht auf effekthascherische Materialien auch sein mag, das straffe Gestaltungskonzept hat es in sich. Neben den "Thematischen Buchplänen" helfen ein ausgefeilter Farbcode sowie ein Verweissystem bestehend aus Seitenzahl und farbcodierten Trabanten-Seitenverweisen bei der Erschließung der Wissensfülle.

Gelbe Seiten mit den Adressen von Designern, designorientierten Unternehmen und Institutionen sowie eine Bibliographie runden das Buch ab.

"Designlandschaft Österreich 1900-2005" ist ein wertvoller Beitrag zur Erforschung österreichischer Designkultur, ein praktisches Nachschlagewerk und eine anregende Lektüre, die viel Stoff für Diskussionen bietet.

© Ch. Ranseder 30. Juli 2006

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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