Ebensolch Rez-E-zine

 27+28/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Katrin Keller

Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts

Wiener Hofdamen

Boehlau 2005, 389 S., 41 Sw.- und Farbabb.

€ 35,00

ISBN  3 2057 7418 3

 

Rezension

Hofdamen waren mehr als nur die Gesellschafterinnen und Anstandsdamen. Die Frauen im Gefolge der Kaiserin repräsentierten eine wichtige Gruppe der Hofgesellschaft. Rund 200 Kurzbiographien aus dem 17. Jahrhundert belegen dies anschaulich. Die sprichwörtlich gewordenen Hofdamen repräsentierten den weiblichen Part innerhalb der männlich dominierten höfischen Organisation. Die komplexen Strukturen ermöglichten Frauen in die Nähe der Schaltstellen politischer Macht der Frühen Neuzeit zu gelangen. Allerdings waren die Grenzen weiblichen Handlungsspielraums eng gesteckt und die Karriereleiter kurz. Trotzdem war der Hofdienst erstrebenswert, da sich der Erwerb von gesellschaftlichen Schliff mit sozialer Absicherung und familienpolitischen Erwägungen verband.

Katrin Keller gelingt mit der vorliegenden Arbeit eine minutiöse Aufnahme der Wiener Hofämter, die mit Frauen besetzt waren. Sie unterzieht dabei den Zeitraum zwischen 1580 und 1740 einer genaueren Betrachtung. Deutlichen Schwerpunkt legt sie anhand konkreter Beispiele vor allem auf die Spanne zwischen 1611 und 1657.

In fünf Kapiteln erschließen sich den LeserInnen die Wege, die Frauen an Hofämter führten und welche Chancen sich für sie - und ihren Familien - dort eröffneten. Basis zum Verständnis der höfischen Gesellschaft legt das erste Kapitel  "Männerhofstaat - Frauenhofstaat: Strukturen und Quantitäten". So gehörten u. a. zum Hofstaat des Kaisers der Oberhofmeister, der mit seinem Stab sowohl als  Hauspersonal-, als auch Material- und Eventmanager fungierte. Das Amt des Oberkämmerers vereinte die Funktionen des fürstlichen Privatsekretärs mit Privatpersonalmanagement. Der Obersthofmarschall fungierte als Sicherheitsbeauftragter und der Oberststallmeister, war nicht nur als Verwalter des Fuhrparks zuständig, sondern auch in die Reiseorganisation involviert. Oberstjägermeister und Oberstfalknermeister übernahmen das Jagdmanagement.  Durch Überschneiden der Ressorts im Gesamthofstaat waren Kooperationen für den reibungslosen Ablauf notwendig, zumal jedes Mitglied des Kaiserhauses wiederum über ein eigenes Gefolge verfügte. So wie es im männlichen Refugium Frauen als Mitarbeiterinnen gab, gab es auch im Frauenhofstaat Männer in unterschiedlichen Funktionen. Aus dieser Männerwelt den Anteil jener Frauen herauszufiltern, die nachvollziehbare Spuren im höfischen Bereich hinterlassen haben, ist eine beachtliche Leistung. Gab es doch im Haushalt der Kaiserin nur wenige Frauenämter. Dabei konnte die Gesamtzahl der Funktionäre relativ groß sein. Leopold I. standen 1675 rund 1.125 MitarbeiterInnen zu Diensten, für seine Ehefrauen, die für die persönliche Versorgung und die Bewältigung von Alltagsproblemen verantwortlich waren, waren 80 bis 90 und für die Kinder 25 Personen verantwortlich.

"Der Weg an den Hof" wird in Zitaten aus Briefe von Angehörigen, Amtsträgerinnen und der Kaiserin selbst deutlich. Die familienpolitischen sowie staatspolitischen Überlegungen, die bei Ansuchen und Berufungen eine Rolle spielten, standen die erheblichen Kosten für die Erstausstattung und die laufenden Ausgaben bei Hof sowie eine eher geringe Besoldung gegenüber.

Die "Herkunft und Eheschließungen" wird im dritten Kapitel näher beleuchtet. Das familiäre Netzwerk wurde durch den weiblichen Hofdienst verstärkt. Für die Frauen selbst wurde die Möglichkeit der sozialen und finanziellen Absicherung geboten. Spannende Einzelschicksale zeigen den gesamten Umfang von Grenzen und Möglichkeiten für Frauen bei Hofe.

Das "Leben am Hof: Alltag, Fest und Zeremoniell" ist nicht so reichhaltig über Quellen erschließbar wie es zu vermuten wäre. Instruktionen für Unterhofmeisterinnen ermöglichen aber interessante Einblicke in Einschränkung der Bewegungsfreiheit und  vor allem in der allgemeinen Abgrenzung zu Männern. Dass zwischen vorgegebener Norm und tatsächlichem Alltag Welten lagen, erschließt sich aus kleineren Begebenheiten, zu denen auch rangmäßige Zänkereien gehörten, und größeren Skandalen.

Das letzte Kapitel "Kontakte und Karrieren: Der Hofdienst als Chance" nimmt sich nochmals detailliert den höfischen und familiären Netzwerken an. Nachdem die Besoldung nicht allzu umfangreich war, war die "Ehre" nicht das vordringlichste Ziel weibliche Familienmitglieder im Hofstaat untergebracht zu wissen. Geschenke in Form von Schmuck und Kleidung sowie testamentarische Zuwendungen brachten Zubrote. Hochzeitsgeschenke, Leibrenten und Gnadengelder - die man ggf. recht mühsam bei der Wiener Hofkammer einfordern musste - waren letzte absichernde Einnahmequellen. Inwieweit mit weniger ehrbaren Nebeneinnahmen (außer der familiären Protektion) u. a. im Rahmen der Geschenke zu rechnen war, wird nicht berücksichtigt bzw. scheint - vermutlich aus guten Gründen - nicht nachvollziehbar zu sein.

Kurzbiografien, Quellen- (mit zahlreichen Auszügen aus Briefen) und Literaturverzeichnis, Ort- und Namensregister schließen den überaus spannenden Band. Vertiefend kann unter Patronage und Klientel am Wiener Hof noch weiteres Datenmaterial abgerufen werden.

© S. Strohschneider-Laue 20. August 2006

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