Ebensolch Rez-E-zine

 27+28/06

© 2003 Strohschneider-LaueFiction

Buch

Madge Jenison

Sunwise Turn. Zwei Buchhändlerinnen in New York

Sunwise Turn

Edition Ebersbach 2006, 200 S. 

18,00

ISBN 3 938740 24 8

Rezension

Im Jahr 1916 eröffnete die Autorin und Frauenrechtlerin Madge Jenison gemeinsam mit ihrer Freundin Mary Mowbray-Clarke in New York die Buchhandlung „The Sunwise Turn“. Es war eine spontane Entscheidung, geboren aus der Liebe zu Büchern. In geschäftlichen Dingen unerfahren, stürzten sich die beiden Frauen mutig und voller Enthusiasmus in das Unterfangen. Madge Jenison beschreibt in ihrem Buch "Sunwise Turn", das 1923 erstmals in New York erschien, mit leichter Feder die Höhen und Tiefen ihrer ersten Jahre als Buchhändlerin. Mit Humor und Charme erzählt sie von der Suche nach dem richtigen Geschäftslokal, Lieblingsbüchern, finanziellen Nöten, Werbemaßnahmen und seltsamen Kunden/-innen. "Sunwise Turn" ist auch heute, nach 83 Jahren, noch eine reizvolle Lektüre.

Die Buchhandlung The Sunwise Turn muss eine berauschende Mischung aus Büchern und Kunstobjekten gewesen sein. Die Wände waren orange gestrichen und es gab sogar einen Kamin. Madge Jenison schreibt, dass der Laden "zu einem sehr persönlichen Ort" wurde. Kunden durften in den Büchern schmökern solange sie wollten. Die Gesprächskultur blühte und die beiden Buchhändlerinnen halfen, egal ob jemand ein bestimmtes Buch, einen Tierarzt oder ein sonniges Zimmer suchte. The Sunwise Turn war Buchhandlung und Kommunikationszentrum in einem. Was aus heutiger Sicht am meisten verblüfft, ist die Hilfsbereitschaft der New Yorker. Die Vermieter des Ladenlokals gewährten Unterstützung in Form einer niedrigen Miete, weil ihnen das Konzept gefiel. Kundinnen, unter ihnen auch die junge Peggy Guggenheim, erklärten sich spontan bereit unentgeltlich Päckchen auszutragen oder für ein paar Stunden Bücher zu verkaufen. Natürlich blieb Madge Jenison und Mary Mowbray-Clarke harte Arbeit nicht erspart. Sie stellten Titellisten zu bestimmten Themen und kleine Bibliotheken zusammen, entwarfen originelle Verpackungen, schrieben Werbebriefe und verhandelten mit Verlegern. Die vielen kleinen Begebenheiten, die Madge Jenison in ihrem Buch festhält, zeugen von geschäftlichem Geschick, sozialem Engagement, Warmherzigkeit und Erfindungsreichtum.

Madge Jenison und Mary Mowbray-Clarke waren einfallsreiche Pionierinnen des Buchhandels. Beim Lesen des amüsanten Erlebnisberichts von Madge Jenison wird allerdings schnell klar, dass die beiden Freundinnen ihre Buchhandlung nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gründeten, sondern weil sie ihren Traum verwirklichen wollten. Den vom Verlegerausschuss empfohlenen Mindestumsatz von 20000 Dollar erreichten sie erst im vierten und fünften Jahr des Bestehens der Buchhandlung. Ihr Gehalt - so entnimmt man dem Text - zahlten sich Madge Jenison und Mary Mowbray-Clarke mit Ausnahme des ersten Monats nie aus. Offensichtlich waren sie in der glücklichen Lage über ausreichenden finanziellen Rückhalt zu verfügen. Damit ist das Buch "Sunwise Turn" nur bedingt geeignet, um heute im Kulturbetrieb - oft als ums Überleben kämpfende ICH-AGs - tätigen Frauen Mut zu machen. Als historisches Zeugnis sind die Erlebnisse der beiden innovativen, wagemutigen Frauen im New York der 20er Jahre jedoch eine bezaubernde Lektüre, deren Unterhaltungswert selbst durch den bitteren Beigeschmack der Erkenntnis, dass die Bereitschaft zur Selbstausbeutung im Kulturbetrieb eine lange Tradition hat, nicht getrübt wird.

© Ch. Ranseder 17. September 2006

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