Ebensolch Rez-E-zine

 29+30/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Rainer G. Richter (Hg.)

Götter, Helden und Grotesken. Das Goldene Zeitalter der Majolika

Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Kunstgewerbemuseum in Schloss Pillnitz

Goldene Zeitalter der Majolika

Hirmer 2006, 320 S., zahlr. Farbabb.

€ 39,90

ISBN 3 7774 3195 8

Rezension

Die sächsischen Kurfürsten waren große Sammler. Zeugen ihrer Leidenschaft für schöne Dinge sind in Dresden nicht nur im berühmten Grünen Gewölbe zu bewundern sondern auch im Kunstgewerbemuseum, in dessen Besitz sich die kostbaren Majoliken befinden. Zu den Prunkstücken der Sammlung zählen zwei Schlangenhenkelvasen mit Szenen aus der Geschichte von Bacchus und Ariadne, die als Hauptwerke von Carlo Antonio Grue (1655-1723) angesehen werden. Eine weniger prächtige als interessante Majolika, ist eine ovale Platte deren Spiegel ein Lieferschein ziert. Minutiös haben die Brüder Boselli aus Savona auf der Platte 353 Stück Tischgeschirr inklusive Preisen verzeichnet, die ihre Töpferei an den Senator Giovanni Battista Cambiaso in Genua lieferte. Stücke wie dieses sind selten. In der Regel zieren Szenen aus der Mythologie oder der Bibel, Genre- und Jagddarstellungen sowie Grotesken und Wappen die Gefäße. Majoliken wurden nicht zuletzt wegen ihrer Bezüge zur klassischen Bildung geschätzt. Sie wurden von wohlhabenden Bürgern ebenso begehrt wie von Adeligen und Fürsten, die Majolika für ihre Kunstkammern ankauften. Als Tafelgeschirr wurde Majolika bei Hof vor allem für private Mahlzeiten und Jagdessen benutzt. In italienischen Apotheken standen seit dem 15. Jahrhundert Albarelli, Sirupkannen und Vasen aus Majolika, die zur Aufbewahrung von Arzneien und als Blickfang dienten.

Für die Kunstkammer der sächsischen Kurfürsten wurden die ersten Majoliken im späten 16. oder frühen 17. Jahrhundert erworben. Heute besitzt das Dresdener Kunstgewerbemuseum auf Grund der Zusammenführung alter Dresdener Sammlungen, von Ankäufen und Schenkungen rund 390 Majoliken aus Italien, die vom späten 15. Jahrhundert bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert datieren. Das ansprechend gestaltete Buch "Götter, Helden und Grotesken. Das Goldene Zeitalter der Majolika" entstand anlässlich einer 2006 gezeigten Ausstellung, in der erstmals die gesamte Majolika-Sammlung des Kunstgewerbemuseums präsentiert wurde.

Der akribisch recherchierte Bestandskatalog der italienischen Majoliken wird von wissenschaftlichen Aufsätzen begleitet, die sich mit Verzierungsmotiven und dem Gebrauch der Majolika sowie der Sammlungsgeschichte beschäftigen.

Rainer G. Richter hat nicht nur den ausführlichen Katalog erarbeitet, sondern vermittelt im ersten Aufsatz des Buches auch Grundlagen der Majolika-Forschung. In einem weiteren Beitrag weist er auf die Bedeutung von Gustav Klemm für die Dresdener Sammlung hin.

Claudia Brink erläutert die auf der Majolika dargestellten Szenen aus der antiken Mythologie.

Elisabeth Schwarm erzählt von Tafelkultur und Tischsitten am sächsischen Hof.

Kerstin Stöver untersucht den Einsatz von Groteskendekoren auf Majolika und Textilien.

Elisabeth Huwer spürt italienischen Majoliken in Apotheken nördlich der Alpen nach.

Désirée Baur befasst sich mit der Geschichte der Dresdener Majolika-Bestände und den möglichen Vorbildern für die Dresdener Sammlung.

Der umfangreiche nach Regionen gegliederte Katalog der italienischen Majoliken wird durch Abschnitte, die sich mit Spanien, der Sgraffito-Keramik und dem Historismus beschäftigen, ergänzt. In den Einleitungen der einzelnen Katalogabschnitte werden Besonderheiten regionaler Herstellungszentren erläutert, wobei die herangezogenen Beispiele weit über die Dresdener Bestände hinausgehen. So wird im Verlauf des Katalogs die allgemeine historische Entwicklung der Majolika nachvollziehbar.

Eine Liste der Majolika-Kriegsverluste des Dresdener Kunstgewerbemuseums, ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, eine Karte mit den Majolika-Zentren in Spanien und Italien sowie ein Glossar, das sich als unentbehrlich erweist, runden den umfassenden Band ab.

"Götter, Helden und Grotesken. Das Goldene Zeitalter der Majolika" ist ein attraktives, reich bebildertes Buch, das als grundlegender Beitrag zur Majolika-Forschung im deutschsprachigen Raum die Dresdener Sammlung weit über das Fachpublikum hinaus auch interessierten Laien zugänglich macht.

© Ch. Ranseder 23. Oktober 2006

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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