Ebensolch Rez-E-zine29+30/06 |
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Non-Fiction Buch Marlen Schachinger Wien. Stadt der Frauen. Eine Reiseführerin
2006, 240 S., zahlr. Sw.-Abb. und Plänen. € 19,00 ISBN 3 85371 260 6 |
Rezension Wien als Stadt der Frauen zu bezeichnen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ein Fragezeichen hätte am Cover wohl kein gutes Bild abgegeben. Marlen Schachinger geht für ihre Nachforschungen vom Stadtplan Wiens und den zahlreichen nach Frauen benannten Straßen und Plätzen aus. Dazu kommen Adressen, die Bedeutung in der Geschichte der Frauen dieser Stadt erlangt haben, sei es als Sitz eines Vereinslokals, Ausstellungsfläche oder Ort der Ausgrenzung. Wobei von vornherein anzumerken ist, dass noch lebende Frauen bis auf eine Ausnahme nicht in das Buch aufgenommen wurden. Die dem Buch zugrunde liegende Idee ist originell, hat jedoch den Nachteil nur jene Frauen sichtbar werden zu lassen, die entweder dem akzeptierten Frauenbild entsprachen - also keine Konkurrenz für Männer darstellten -, sich als Wohltäterinnen betätigten oder aus politischen Gründen nicht ignoriert werden konnten. Schließlich ist ein Straßenname eine kostengünstige Möglichkeit Ehre zumindest posthum zuteil werden zu lassen. Es ist in "Wien. Stadt der Frauen" daher in erster Linie über Frauen, die sich in Kunst und Kultur, Bildung, Politik und sozial orientiertem Vereinswesen engagierten zu lesen. Frauen in der Wirtschaft und den heute so gepriesenen Naturwissenschaften stellen eine verschwindende Minderheit dar. Das ist einerseits kein Wunder, denn der Zugang zu (Aus-)Bildung, Studium und Berufsausübung war Frauen lange verwehrt. Hatte eine Frau dennoch eine Hürde genommen, warf man(n) ihr schnell den nächsten Prügel vor die Füße. Andererseits mag es auch an der durch die Straßennamen gegebenen Vorselektion und der von der Autorin aus Platzgründen selbst auferlegten Einschränkung der Themenkreise liegen. Das ist schade, denn so wird wieder nur ein bestimmtes, konformes Frauenbild transportiert. Die Geschichte der Frauen ist lange Zeit eine Geschichte der Diskriminierung und Bevormundung. Frauen verbrachten im schönen Wien viel Zeit damit, um Rechte zu kämpfen, die ihnen anderswo bereits zugestanden wurden. Sie mussten große Hindernisse überwinden, um ihre bescheidenen Lebensentwürfe umsetzen zu können, und haben Herausragendes im Angesicht zähen Widerstandes geleistet. "Wien. Stadt der Frauen" ist ein Buch gegen das Vergessen. Dass der Friedhof der Namenlosen die erste Station des Reiseführers ist, wird kein Zufall sein. Den wenigen Frauen, die bleibende Zeugnisse ihres Lebens und Schaffens hinterlassen haben, stehen die hunderttausenden als Dienstboten und Fabrikarbeiterinnen ausgebeuteten Frauen gegenüber, von denen nicht einmal ihr Name im kollektiven Bewusstsein übrig blieb. Es ist wichtig und schön, dass den Frauen Wiens gedacht wird. Nicht zuletzt, weil die in diesem Buch vorgestellten Pionierinnen maßgeblich daran beteiligt waren, dass es mit den Rechten der Frauen heute besser bestellt ist. Als Frau liest man das Buch "Wien. Stadt der Frauen" mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Freude ein Buch, welches den in Wien lebenden Frauen und ihrem Werk gedenkt, in Händen zu halten, steht das Bewusstsein gegenüber, dass vielen Mädchen und Frauen mit ein wenig Aufgeschlossenheit, Offenheit und Toleranz seitens Gesellschaft und Gesetzgebern großes Elend erspart geblieben wäre. © Ch. Ranseder 30. Oktober 2006 |
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Wien. Stadt der Frauen. Eine Reiseführerin
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