Ebensolch Rez-E-zine

 31+32/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Sabine Appel

Madame de Staёl. Biographie einer großen Europäerin

Madame de Stael. Biographie einer großen Europäerin

Artemis & Winkler 2006, 360 S., 25 Sw-Abbildungen

€ 24,90

ISBN 3 538 07231 0

Rezension

Anne Louise Germaine de Staёl, geborene Necker, wurde bereits als kleines Mädchen im Salon ihrer Mutter als Wunderkind präsentiert. Hier schulte sie, herausgefordert von den Geistesgrößen Frankreichs, ihre einzigartige Begabung für die Kunst der Konversation. Hochintelligent und mit einer schnellen Auffassungsgabe gesegnet, saugte sie ihr Leben lang Wissen wie ein Schwamm auf und erschöpfte so manchen Gesprächspartner mit ihrem kaum zu stillenden Bedürfnis nach Kommunikation. Besonders Weimars Dichtern und Denkern, die an einen derartigen Austausch nicht gewöhnt waren, scheint die wortgewandte Französin anlässlich ihrer Deutschlandreise den Schweiß auf die Stirn getrieben zu haben. Mit spitzer Feder und Humor analysiert ihre Biographin, Sabine Appel, diese Begegnungen Madame de Staёls mit den deutschen Literaturgrößen. "Madame de Staёl. Biographie einer großen Europäerin" ist ein schwungvoll geschriebenes, mit Anekdoten gewürztes und zugleich anspruchsvolles, tiefsinniges Buch, das von der ersten bis zur letzten Seite Lesevergnügen bereitet. Nicht zuletzt, weil es in seiner Vielschichtigkeit der faszinierenden Persönlichkeit Germaine de Staёls (1766-1817) voll und ganz gerecht wird.

Ihren, an den Maßstäben der Zeit gemessenen, Mangel an Schönheit und Eleganz, machte Germaine de Staёl durch Natürlichkeit und Temperament wett. Sie war eine ungekünstelte, selbstbewusste Intellektuelle mit enormer Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Der Mutter verdankte sie ihre Bildung, dem von ihr vergötterten Vater, der es vom Bankenlehrling in Genf bis zum französischen Staatsminister gebracht und dabei ein beachtliches Vermögen angehäuft hatte, ihre finanzielle Unabhängigkeit. Reich und gebildet nahm sie sich die Freiheit zu machen, was sie wollte. 1786 heiratete Germaine den schwedischen Baron Eric Magnus de Staёl-Holstein. Es war ein wechselseitiges Geschäft, welches ihr ermöglichte das Elternhaus zu verlassen und ein Leben nach eigenem Gutdünken zu führen. Ihr Mann spielte fortan eine Nebenrolle. Germaine stürzte sich ins gesellschaftliche Leben, gründete einen eigenen Salon und entwickelte sich zur begnadeten politischen Lobbyistin. Sinnlich und liebeshungrig wurde sie bald eine Anhängerin der freien Liebe, die sie bis an ihr Lebensende praktizierte. Selbst die aus den diversen Verbindungen hervorgehenden Kinder dämpften die Energie dieser bemerkenswerten Frau, die kaum schlief, in keiner Weise. Die Unermüdliche war durch nichts zu bremsen.

Germaine de Staёl lebte in einer Zeit des politischen und geistigen Umbruchs. Im Ancien Régime geboren, erlebte sie die französische Revolution und die Republik hautnah. Napoleon Bonaparte hasste sie, ohne jedoch ihre Bedeutung zu verkennen. Germaines politisches Engagement brachte den kleinen Korsen derart in Rage, dass er sie aus Paris verbannte und von der Polizei bespitzeln ließ. Das Anwesen ihrer Eltern in Coppet am Genfer See wurde ihr zur Zuflucht. Sie verwandelte das stille Schlösschen in einen gesellschaftlichen Treffpunkt, der Kulturzentrum und Schreibwerkstatt zugleich war. Denn Madame de Staёl, die stets nach Vervollkommnung des Geistes strebte, machte auch als Schriftstellerin Karriere. Ihr literarisches Werk, dessen Spektrum von Theaterstücken über psychologische Romane bis zu gelehrten Abhandlungen reicht, ist ebenso umfangreich wie scharfsichtig. Um für ihre Bücher zu recherchieren reiste sie nach Deutschland und Italien. Ihr Buch De L’Allemagne ließ Napoleon einstampfen, seine Autorin setzte er auf Coppet gefangen. Die abenteuerliche Flucht führte Germaine und ihr Gefolge 1812 von Genf über Wien, Moskau, St. Petersburg und Stockholm nach London und von dort wieder nach Genf. Dem Einflussbereich Frankreichs entkommen, spielte Madame de Staёl auf ihrem Weg durch Europa eine maßgebliche diplomatische Rolle bei der Vermittlung zwischen den Hauptakteuren der Allianz gegen Napoleon. Das Ergebnis ist bekannt. Im Mai 1814, nach Jahren des Exils, kehrte Germaine de Staёl nach Paris zurück. Obwohl sie sich immer danach gesehnt hatte wieder in Paris zu wohnen, blieb sie nicht lange. Coppet war ihre Heimat geworden.

"Madame de Staёl. Biographie einer großen Europäerin" ist die fulminante Lebensgeschichte einer außergewöhnlichen Frau, mitreißend erzählt von Sabine Appel. Diese hält in ihrem beredten, unterhaltsamen Text souverän alle Fäden in der Hand und verknüpft biographische Daten, Charakteranalysen, politisches Zeitgeschehen sowie Literaturkritik zu einem schillernden Abbild eines bewegten Lebens.

© Ch. Ranseder 25. November 2006

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