Ebensolch Rez-E-zine

 31+32/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Renate Sternagel (Hg.)

Therese von Bacheracht. "Heute werde ich Absonderliches sehen". Briefe aus Java 1850-1852

Therese von Bacheracht. "Heute werde ich Absonderliches sehen". Briefe aus Java 1850-1852

Ulrike Helmer 2006, 328 S., 10 Sw-Abb.

€ 24,90

ISBN 3 89741 194 6

Rezension

Therese von Bacherachts (1804-1852) "Briefe aus Java" sind ein Paradebeispiel für zielgruppenorientiertes Schreiben. Von Anfang an für die Veröffentlichung gedacht, unterscheidet sich das erzählerisch-beobachtend angelegte Brieftagebuch eklatant von ihrem privaten Briefwechsel mit der Freundin Fanny Lewald, der nur in Berichtform im Rahmen der Korrespondenz von Fanny mit ihrem Geliebten Adolf Stahr erhalten geblieben ist.

Der an Klatsch und Tratsch aus der Kolonie interessierten Oberschichten-Leserschaft in Deutschland präsentiert sich die adelige Therese als Dame des Müßigganges, die in den höchsten Kreisen der Gesellschaft verkehrt. Mit ihren farbenfrohen Beschreibungen der gesellschaftlichen Ereignisse, Sehenswürdigkeiten und exotischen Landschaft Javas, in der sich die einheimische Bevölkerung als dekorative Staffage tummelt, bedient Therese gekonnt den Eskapismus der daheim gebliebenen Klientel. Sie ist dabei in ihren Ansichten ganz und gar ein Produkt ihrer Zeit und Erziehung - konnte es sich als Frau allerdings auch kaum leisten, öffentlich eine eigene kritische Meinung zu vertreten. Zumal ihr zweiter Mann, Heinrich von Lützow, ihre Publikationstätigkeit mit Missbilligung betrachtete.

Therese, Spross einer Diplomatenfamilie und Mitglied der High Society, hatte sich bereits in Deutschland mit Reisebüchern und Frauenromanen einen Namen gemacht und verdiente gut. Als der Jugendfreund Heinrich von Lützow 1848 abermals in Thereses Leben trat, war ihre Ehe mit dem Diplomaten Robert von Bacheracht gescheitert und ihr Liebhaber Karl Gutzkow im Begriff, sich endgültig von ihr zu trennen. Das Angebot Lützows, der auf Java als Kommandeur in der Kolonialarmee diente, sie zu heiraten und die damit verbundene Möglichkeit fern der Heimat einen Neuanfang zu wagen, muss Therese als Ausweg aus dieser verfahrenen Situation erschienen sein. Eine Fehlkalkulation, wie sich vor Ort zeigen sollte. Lützows Erzählungen deckten sich nicht mit der Realität des kolonialen Alltags. Sowohl seine Schulden als auch seine einheimische Lebensgefährtin mitsamt den gemeinsamen Kindern hatte er verschwiegen. Vor diesem Hintergrund können Thereses "Briefe aus Java" auch als Versuch der standesbewussten Frau, ihrer Existenz in Java in den Augen anderer ein wenig Glanz und Glorie zu verleihen und damit ihr Ansehen in der Heimat zu erhöhen, interpretiert werden. Privates und negative persönliche Erfahrungen werden in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Tagebuch bewusst ausgeblendet.

Die Herausgeberin Renate Sternagel, selbst eine Kennerin Indonesiens, gewährt einen Blick hinter die Fassade. Sie erzählt die Lebensgeschichte Thereses, beschreibt deren soziales Umfeld und macht mit der hervorragenden editorialen Aufbereitung der "Briefe aus Java" das Buch "Therese von Bacheracht. 'Heute werde ich Absonderliches sehen'. Briefe aus Java 1850-1852" zur spannenden Lektüre. In akribischer Forschungsarbeit hat Renate Sternagel nicht nur das Originalmanuskript Thereses transkribiert, sondern auch den Briefwechsel von Fanny Lewald und Adolf Stahr unter die Lupe genommen. Dieses Vorgehen ermöglicht der Herausgeberin auf einzigartige Weise in den "Briefen" getätigten Aussagen die reale Lebenssituation Thereses gegenüberzustellen. Ergänzt durch Anmerkungen zur Kolonialgeschichte, der geistigen Haltung der Zeit und zum damaligen Stand der wissenschaftlichen Erforschung Javas wird aus den verschriftlichten Erlebnissen einer privilegierten Frau ein facettenreiches Bild des Lebens in der holländischen Kolonie.

Also nicht vergessen: Fußnoten lesen!

© Ch. Ranseder 09. Dezember 2006

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