Ebensolch Rez-E-zine

 31+32/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Arno Brandt, Wilken von Bothmer, Michael Rohde (Hg.)

Diesseits von Eden. Europäische Marketing-Konzepte für Gärten und Schlösser

Kultur und Marketing 3

Diesseits von Eden. Europäische Marketing-Konzepte für Gärten und Schlösser

Hinstorff 2006, 224 S., 16 Farbabb., zahlr. Grafiken

€ 19,90

ISBN 3 356 01104 9

Rezension

"Nach Wesen und Bestimmung ist der historische Garten ein ruhiger Ort, der Naturbegegnung, Stille und Gelegenheit zur Naturbeobachtung fördert." So steht es in der Charta von Florenz, Art. 19, aus dem Jahr 1981. Damit ist ein Bild umschrieben, dass bei der Vermarktung von Gärten bevorzugt eingesetzt wird - um letztlich genau das Gegenteil, das innerhalb der vorgegebenen Nutzungsgrenzen größtmögliche Besucheraufkommen, zum Ziel zu haben. Prospekte des so genannten Qualitätstourismus, Bücher und Informationsbroschüren zeigen menschenleere Gartenanlagen. So fördern sie den Traum des prospektiven Besuchers, sich der stillen Kontemplation, dem elitären Genuss hingeben zu können. Menschen, besser sollte man sagen Akteure, rücken erst bei der Vermarktung zeitlich begrenzter Events ins Bild. Das Publikum bleibt selbst dann verborgen. Auch die ganzseitigen Farbabbildungen des Buches "Diesseits von Eden. Europäische Marketing-Konzepte für Gärten und Schlösser" folgen dieser visuellen Strategie. Wer jemals in den Sommermonaten einen gut beworbenen Garten besucht hat, weiß wie die Realität oft aussieht. Einzig Michael Rohde illustriert seinen Beitrag über die Nutzungsgrenzen historischer Gärten mit Schwarzweiß-Abbildungen, die sowohl genießende Besucher und pflegende Gärtner zeigen als auch positive und negative Beispiele möglicher Gartennutzung vor Augen führen.

In unserem ökonomisch determinierten Zeitalter, in dem sich die öffentliche Hand zunehmend aus der Verantwortung stiehlt, aber nichtsdestotrotz die Früchte der Bemühungen anderer ernten will, muss sich das "kulturelle Erbe" zusehends für sein Dasein rechtfertigen, indem es Gewinn abwirft oder sich zumindest selbst erhält. Als weichem Standortfaktor und ideellem Gut fällt historischen Gartenanlagen darüber hinaus die Aufgabe zu, Image und touristische Zugkraft einer Stadt oder Region zu stärken. Mehr denn je sind Gärten und Schlösser heute gezwungen ihre Nützlichkeit zu beweisen, um ihren kostspieligen Erhalt zu rechtfertigen. Als Folge muss vereint werden, was nur schwer vereinbar ist: Denkmalschutz und Marketing. Natürlich können und sollen historische Gartenanlagen genutzt werden. Sie sind aber auch empfindliche, lebende Denkmäler, die des Schutzes und der Pflege bedürfen. Darüber hinaus erschließen sich die Gartenkunstwerke längst vergangener Zeiten dem heutigen Betrachter nicht mehr von selbst. Die Geschichten, die sie erzählen, müssen erst zielgruppengerecht vermittelt werden. Die Vermarktung historischer Gärten und Schlösser wird unter diesen Voraussetzungen zum Balanceakt zwischen Bestandssicherung, Nutzungsgrenzen, Besuchererwartungen, Kommunikation kulturellen Hintergrundwissens und der Generierung der höchstmöglichen Wertschöpfung. "Diesseits von Eden. Europäische Marketing-Konzepte für Gärten und Schlösser" stellt Wege und Konzepte zur Bewältigung dieser vielschichtigen anspruchsvollen Aufgabe, die stets nach individuellen Lösungen verlangt, vor.

Der stattliche Band versammelt Beiträge von 29 Autorinnen und Autoren aus ganz Europa. In drei Themenblöcken werden Grundlagen zu Kulturerbe, strategischem Marketing, Nutzungsgrenzen und Qualitätstourismus vermittelt, der Status quo der Vermarktung von Gärten und Schlössern in Europa dokumentiert und aktuelle deutsche Marketing-Konzepte vorgestellt. Dabei zeigt sich vor allem eines deutlich: Von einem einheitlichen, europaweiten Qualitätsniveau ist man derzeit weit entfernt. Können schon Begriffe wie kulturelles Erbe und Marketing sehr unterschiedlich ausgelegt werden, so divergiert das Verständnis für das Kulturgut historische Gartenanlage, die Bereitschaft zu Pflege und Erhalt desselben sowie Herangehensweisen und Zielsetzungen der Erschließung und Vermarktung in den europäischen Ländern erheblich. Auch nationale Unterschiede in der Einstellung zum Besucher stechen ins Auge. Der Gast eines Gartens oder Hauses des National Trust zum Beispiel kann sich frei bewegen, die Dauer des Verweilens an einem bestimmten Ort selbst festlegen und entscheiden ob, wie, in welcher Menge, auf welchem intellektuellen Niveau und in welcher Geschwindigkeit er/sie Informationen aufnehmen möchte. Zur Auswahl steht eine umfassende Palette an medialen und personalen Angeboten, aus der gewählt werden kann. In vielen kontinentalen Einrichtungen hingegen findet die Begegnung mit dem Gast auf andere Weise statt. Man weiß, was gut für ihn ist, lotst ihn zumeist mittels anekdotengespickter Führung rasch durchs Schloss und lässt ihn - falls nicht auch hier eine Führung gebucht wurde - im Garten oft orientierungslos auf sich gestellt. Zu ungeahntem Glücksgefühl wird dem Bildungshungrigen verholfen, wenn er ein Faltblatt erstehen darf. Als mildernder Umstand kann angeführt werden, dass es selbstverständlich auch in Kontinentaleuropa zahlreiche Best-Practice-Beispiele, zum Teil sogar mit freiem Eintritt, gibt.

Das vorliegende Buch bietet eine reichhaltige Auswahl vorbildlich bewirtschafteter Anlagen. Angesichts der großen nationalen Unterschiede in Pflege, Vermittlung und Vermarktung historischer Gärten kann allerdings dem Grundtenor des Bandes, dass das touristische Potential dieses großartigen europäischen Kulturerbes noch nicht ausgeschöpft ist, nur beigepflichtet werden. "Diesseits von Eden. Europäische Marketing-Konzepte für Gärten und Schlösser" leistet einen wichtigen Beitrag für den internationalen Austausch über das facettenreiche Thema Marketing und Kulturgüter.

© Ch. Ranseder 09. Dezember 2006

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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