Ebensolch Rez-E-zine

 33+34/07

© 2003 Strohschneider-LaueFiction

Buch

Walter Grasskamp (Hg.)

Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhard

Sonderbare Museumsbesuche. Von Goethe bis Gernhard

Beck 2006, 302 S., sw. Abb.

€ 19,90

ISBN 978 3 932338 26 7

Rezension

Der Museumsbesuch ist wohl kaum jemand fremd. Zumindest den schulorganisierten Zwangsbesuch haben so gut wie alle als Kind absolvieren müssen. Dauerbesucher werden meist nur jene, denen es als Kind gefallen hat. Die gelangweilt, angeekelt, abgeprüft und gemaßregelt wurden, bleiben den Musentempeln mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsene fern. Der freiwillige Museumsbesuch Erwachsener - abseits organisierter Massenausflüge zwischen Stadtrundgang und Wirtshaus - ist somit selten geworden. Während der Freizeit ziehen andere Vergnügen mehr. Selbst bei Regen - dem traditionellen Museumswetter - sind andere Indoor-Aktivitäten verlockender als der Besuch der örtlichen Sammlungen natürlicher oder artifizieller Kuriositäten. Solchen frühkindlichen Schwellenängsten wirkt diese bestens "kuratierte" Textauswahl mit Museumsbezug entgegen. Eine literarische Auslese von Museumsbesuchen ist an sich schon eine brillante Idee, diese aber noch dazu mit derart treffenden Kommentaren zu würzen, ist ein Geniestreich. Ungewöhnliche Betrachtungen - oft konträr zum gängigen Museumsbild - und eigenartige Ereignisse ergeben gemeinsam mit den farblich rot abgesetzten kritischen Bemerkungen von Grasskamp einen unvergleichlichen musealen Leserundgang. Nicht zwingend linear, kann man sich als LeserIn Abzweigungen durch diese Sammlung erlauben ohne gleich die inhaltliche Orientierung zu verlieren. Von der Kindheit bis zur Utopie reicht die chronologische Achse, während inhaltlich u. a. Liebe und Fälschung oder Irrsinn und Mord sowie Nachruf aus den Federn zahlreicher AutorInnen aufgegriffen werden.

Bei den Filmempfehlungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern Querbezüge zu den Texten herstellen, fehlt mir dennoch das "Museum des 20. Jahrhunderts" aus "Demolition Man" (Marco Brambilla 1993). In diesem Film ist die Ausstellung ebenso edel wie bösartig apokalyptisch als Waffenlager und Müllhalde (eine im Boden eingelassene Straßenszene inkl. Auto) zugleich gestaltet. Ich hatte sofort an diese Filmsequenz denken müssen als ich das Kapitel "Utopie" und den zugehörigen Kommentar las. Eindeutig ein Buch, das nicht nur zum Konsumieren, sondern auch zum Assoziieren anregt und mehr als ein (böses) Lächeln verursacht. 

Die beste "Sonderausstellung" zum bürgerlichen Bildungstempel in Buchform, das mir je untergekommen ist. Schade, dass es nur 302 Seiten hat. Ein Pflichtbuch zum thematischen Querlesen durch die Literatur nicht nur für die eigene Bibliothek, sondern auch das ideale Geschenk für Museumsmuffel und Museumsprofis.

S. Strohschneider-Laue 01. Februar 2007

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