Ebensolch Rez-E-zine

 35+36/07

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Beate Engelen

Soldatenfrauen in Preußen

Soldatenfrauen in Preußen

LIT 2005, 624 S.

€ 59,90*

ISBN 3 8258 8052 4

Rezension

Preußens Militär und dessen weiblicher Anteil daran zeigen bisher noch viel zu wenig breit ausgewertete kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte auf. Soldaten und Krieg werden immer noch als reine Männerdomäne angesehen, die Frauen höchstens als Leidtragende tangiert. Dennoch übernahmen Frauen, von der militärhistorischen Forschung in den letzten Jahren zunehmend wahrgenommen, im militärischen Umfeld durchaus ökonomische und etliche andere Funktionen. Der Wandel vom Söldnerheer am Ende des Dreißigjährigen Krieges zum stehenden Heer des 17. und 18. Jahrhunderts brachte nicht nur strukturelle, sondern auch soziale Veränderungen mit sich. Die vorliegende Dissertation über Lebens-, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse der Frauen in Garnisonen und Feldlagern arbeitet den bisher vernachlässigten Frauenanteil an der Militärgeschichte Brandenburg-Preußens deutlich heraus. Die Fragestellung inwieweit Frauen im sozialen Umfeld der preußischen Armee des 18. Jahrhunderts involviert waren, förderte bei den Recherchen höchst Erstaunliches zu Tage.

In fünf gut untergliederten Kapiteln - Soldatenfrauen der preußischen Garnisonsgesellschaft, Soldatenfamilien, Garnisonsgesellschaft, Soldatenfrauen unter Aufsicht des Staates, Resümee und Ausblick - erschließen sich die komplexen hierarchisch geprägten militärischen Strukturen, die auch Soldatenfamilien zunehmend berücksichtigten mussten.

Die soziale Ausgrenzung der Soldatenfrauen gingen mit den bürgerlichen Wertevorstellungen sowie deren private Abgrenzung gegenüber den Militärs Hand in Hand. Das wirtschaftlich und moralisch abgewrackte Soldatenpaar hat sich bis in die Kunst hinein festgesetzt. Nicht zuletzt wurden diese Beurteilungen auch durch die - zunächst - ausschließlich männlichen Perspektive der Militärhistoriker, sogar wissenschaftlich gefestigt. Eine Sichtweise, die erst durch genderspezifische Forschungsfragen eine langsame Wendung erfährt.

Die hier betrachtete Zeit der zweite Hälfte des 17. bis zur Wende 19. Jahrhunderts repräsentiert für die preußischen Soldatenfrauen trotz sich wandelnder Rechtsvorschriften eine geschlossene Einheit. Die Untersuchungen umfassen Familie, Garnisonsgesellschaft und das politische System. Der gut dokumentierte Bezug auf Ego-Dokumente (Bittschriften, Tagebücher, Memoiren, Kriegsberichte, Gerichtsprotokolle etc.) ermöglicht ein tiefgehendes Erfassen der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Soldatenfrauen, für die die krisenanfällige Wirtschaftsbasis einer Ehe mit einem Soldaten weniger abschreckend war als unverheiratet zu bleiben. Im gesellschaftlichen Kontext der Zeit war es für Frauen allemal besser verheiratet zu sein, als unverheiratet - und eine schlechte Wirtschaftsbasis war immer noch besser als gar keine. Es überrascht daher, die unkommentierte "Akzeptanz häuslicher Gewalt", dass sich eine Frau mit ihrem gewalttätigen Ehemann abgefunden habe und ihn nach dessen Desertion sogar zurückhaben wollte.

Die diversen Reglements sowie deren Umgehung oder die Profitmacherei am Rande der Legalität (u. a. Trauscheinhandel der Offiziere und Geistlichen) bis hin zu Wirtschafts- und Eigentumsdelikten sowie Prostitution der veramten Angehörigen, zeigen wie brisant die Lebenssituation von Soldatenfamilien und insbesondere der Frauen im militärischen Umfeld war.

Die minutiöse Aufarbeitung des weiblichen Anteils an der Entwicklung der Garnisongesellschaft, die administrativen Strukturschwächen sowie die Handlungsspielräume der Soldatenfrauen selbst stellen einen wesentlichen Beitrag nicht nur zur Militärgeschichte dieser Zeit, sondern auch zur Frauenforschung dar. Mal ganz abgesehen davon, dass diese wertvolle wissenschaftliche Analyse zugleich eine spannende und - gemessen an dem üblichen worthülsenreichen Wissenschaftsjargon - eine gut formulierte Lektüre ist.

© S. Strohschneider-Laue 05. März 2007

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