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 37+38/07

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Philip Jodidio

Calatrava. Santiago Calatrava. Complete Works 1979-2007

Santiago Calatrava. Complete Works 1979-2007

Taschen 2007, Engl./Dt./Fr., 520 S., zahlr. Farbabb.

€ 99,99*

ISBN 978 3 8228 4711 4

Rezension

Die Bauten Santiago Calatravas verfügen über seltene, schwer fassbare Qualitäten: Sie regen die Fantasie an und wecken Assoziationen. Als Ergebnis der Verschmelzung von Architektur, Ingenieurswissenschaften und Kunst erfüllen viele seiner Brücken und Gebäude nicht nur ihren Zweck, sondern beleben den Geist und erfreuen das Auge. Wie sehr die Arbeiten mit den Betrachter/innen in Dialog treten, zeigen drei in Hoofddorp (NL) über den Hoofdvaart-Kanal errichtete Brücken. Sie wurden von der Bevölkerung prompt mit den Namen Zither, Harfe und Laute bedacht. Dieses und 39 weitere Projekte werden in "Calatrava. Complete Works 1979-2007" mittels knapper Texte und atemberaubendem Bildmaterial vorgestellt. Der im Taschen Verlag erschienene - nicht nur schwergewichtige, sondern dank unterschiedlicher Papiersorten auch haptisch abwechslungsreiche - Prachtband ist ein hervorragender Ausgangspunkt, um sich mit dem komplexen Werk des Stararchitekten auseinanderzusetzen.

Santiago Calatrava hat in den vergangenen 28 Jahren zahlreiche Meisterwerke geschaffen. Sein Stil ist unverkennbar und dennoch voller Überraschungen. "Calatrava. Complete Works 1979-2007" macht es möglich, die Entwicklung des Œuvres nachzuvollziehen und Projekte miteinander zu vergleichen. Die Karriere des Architekten beginnt mit Brückenentwürfen, in denen er die technischen Konstruktionsmöglichkeiten auslotet. In den folgenden Jahren wird Calatrava zu einem Spezialisten für Brücken, die in ihrer Gestalt innovative Ingenieursleistungen mit expressiver Ästhetik und spektakulären Lichtkonzepten vereinen. Nicht nur mit Brücken, sondern auch mit Bahnhöfen schafft Calatrava Verbindungen zwischen Stadtteilen. Dabei gelingt es ihm, die trotz ihrer Größe leicht und beschwingt wirkenden Anlagen mit dem umliegenden öffentlichen Raum zu verschränken. Nicht selten geschieht dies auf eine Art, die an die Tradition der Schlossanlagen des Barocks anknüpft - wie ein Blick auf die Skizzen für die Bahnhöfe Oriente, Lissabon, und Liège-Guillemins, Liège, zeigt.

Santiago Calatrava verbindet in seinen Arbeiten Technik und Natur, Mathematik und Kunst. Nirgends ist dies auffälliger als in den Gebäuden für den Kunst- und Kulturbetrieb. Es sind begehbare Skulpturen, deren Inneres ebenso sorgfältig gestaltet ist wie ihr Äußeres. Es klingt banal: Calatravas Bauten sind von allen Seiten schön. Als Paradebeispiel dafür kann die Konzerthalle in Santa Cruz de Tenerife, ein Gebäude mit beinahe sakralem Charakter, dienen. Überwölbt von einem Betonschalendach, das sich elegant zu einer scharfen Spitze verjüngt, präsentiert sich der Bau aus jedem Blickwinkel von seiner besten Seite. Immer wieder dienen das Auge und die Hand als Inspirationsquelle für Entwurfslösungen, die das Gebäude mit dem Element der Bewegung bereichern. So öffnet sich die gläserne Außenhaut des IMAX-Kinos in der Ciudad de las Ciencias, Valencia, wie ein Augenlied, überwölben bewegliche Rippen den Innenraum des Kuwait-Pavilion auf der Expo ΄92 und beschatten flügelartige, bewegliche Sonnensegel das Milwaukee Art Museum. In seiner Skulptur Wave (Meadows Museum, Texas) und in der Nation΄s Wall (Athen, Olympische Sportanlagen) greift Calatrava Motiv und Bewegung der Welle auf.

Nicht nur vor Ort, sondern auch in "Calatrava. Complete Works 1979-2007" ist für maximalen optischen Genuss gesorgt. Architekturfotografie vom Feinsten (in Bildformaten bis 61 x 39 cm!) ermöglicht es Leserinnen und Lesern, sich in den Anblick der außergewöhnlichen Bauwerke zu versenken. Handskizzen und Pläne aus dem Archiv Santiago Calatravas verdeutlichen den Prozess von Ideenfindung und Entwurf. Philip Jodidios Einführungsessay macht mit dem 1951 in Valencia, Spanien, geborenen Architekten bekannt. Ein Werkverzeichnis, eine Biografie, eine Auflistung der zahlreichen Auszeichnungen sowie eine Bibliografie runden den 520 Seiten starken Wälzer ab.

Es ist leicht der Faszination, die von Santiago Calatravas Schöpfungen ausgeht, zu erliegen. Seine Arbeiten begeistern, weil sie Deutungsspielraum zulassen. Die einzigartige Kombination aus skulpturaler Qualität, Eleganz der Linien und Bewegung mag den einen an Rochen, Vogelflügel oder Antonio Gaudi, die andere an geometrische Figuren, die Glas-Eisen-Architektur des 19. Jahrhunderts, Radiolarien, leuchtende Wesen der Tiefsee, Barten, Brustkörbe, Kiemenbögen oder die Innenraumgestaltung von Raumschiffen in Science-Fiction-Filmen erinnern. Gewiss ist, dass Santiago Calatrava zu den wenigen Architekten gehört, deren Bauten emotional berühren und ein Gefühl der Freude wecken.

© Ch. Ranseder 20. Mai 2007

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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