Ebensolch Rez-E-zine

 37+38/07

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Ute Scheitler, Judith Welsch-Körntgen

Frau sieht das, was Mann nicht sieht. Der weibliche Blick auf die Kunst

Frau sieht das was, Mann nicht sieht

Belser 2007, 128 S., zahlr. Farbabb.

€ 19,95*

ISBN 978 3 7630 2479 7

Rezension

Noch bevor ich das Buch aufgeschlagen hatte, führte mich sein verheißungsvoller Titel "Frau sieht das, was Mann nicht sieht" in die Irre. Als ich ihn las, musste ich spontan an zwei Gemälde von Artemisia Gentileschi (ca. 1593-1652) denken. In "Susanna und die Alten" und "Judith mit ihrer Dienerin" bricht die Künstlerin mit den traditionellen Darstellungsweisen ihrer männlichen Kollegen. Die Anordnung der weiblichen Figuren im Bildraum und ihre Gestik lassen auf eine völlig andere Interpretation der beiden beliebten biblischen Geschichten und der psychologischen Befindlichkeit ihrer Protagonistinnen schließen. Worin unterscheidet sich die weibliche Sicht auf die großen Bildthemen der Kunstgeschichte von jener der Männer, fragte ich mich. Erzählen Frauen Geschichten anders? Was ist ihnen wichtig? Wie sehen Künstlerinnen ihre Umwelt und ihre Mitmenschen? Haben die ihnen als Frauen von der Gesellschaft lange auferlegten Einschränkungen - die von Ausbildung und Berufsausübung über den Zugang zu Ressourcen bis zur Bewegungsfreiheit reichten - Niederschlag in ihren Arbeiten gefunden? Wie sehen sich künstlerisch arbeitende Frauen selbst, wie stellen sie sich in Selbstporträts dar? Welche Wünsche, Ängste und Fantasien leben sie in ihren Werken aus? Fragen, nichts als Fragen! Doch halt! Weder der Blick der Künstlerin noch der Vergleich mit den Sichtweisen männlicher Kollegen steht im Mittelpunkt des Buches "Frau sieht das, was Mann nicht sieht". Sein Untertitel "Der weibliche Blick auf die Kunst" deutet es bereits an.

"Frau sieht das, was Mann nicht sieht" richtet sich in erster Linie an Frauen, die es genießen Kunst zu betrachten - sei es im Museum oder in einem Bildband. Es ist ihr Blick, um den sich alles dreht.

Die Autorinnen, beide erfahrene Kulturvermittlerinnen, gehen davon aus, dass sich Kunstwerke Frauen auf eine andere Weise erschließen als Männern. Dem von ihnen angenommenen Bedürfnis nach Identifikation und der Entschlüsselung von Geschichten Rechnung tragend, haben sie 51 Gemälde ausgewählt und Themen wie Frauen- und Männerrollen, weibliche Schönheit, Essen und Trinken, Liebe und Familie zugeordnet. "Frau sieht das, was Mann nicht sieht" ist leichte Kost, in attraktiven Häppchen dargereicht. Jeweils auf einer Doppelseite präsentiert, stehen sich Bild und interpretative Bildbetrachtung gegenüber. Die im lockeren Plauderton geschriebenen Texte vereinen auf unterhaltsame Weise Information und Emotion. Zuweilen erfolgt die Annäherung an die Gemälde von 44 Männern - darunter große Namen wie Monet, Picasso, Dali, Rembrandt, Renoir und Warhol - und 2 Frauen allerdings ein wenig überschwänglich intuitiv. Es lässt sich nicht leugnen, der Zugang zur Kunst ist ein sehr persönliches Erlebnis. So stimmte mich die Bildauswahl ein wenig nachdenklich. Frauen mögen Kunst mit anderen Augen sehen. Doch worauf wird ihr Blick in "Frau sieht das, was Mann nicht sieht" gelenkt? Es ist die Sicht männlicher Künstler auf die Welt, nicht jene ihrer kreativen Geschlechtsgenossinnen. So bleibt der Status quo gewahrt: der Mann erschafft, die Frau betrachtet, die Künstlerin bleibt unbeachtet.

© Ch. Ranseder 16. April 2007

© 2003 Strohschneider-Laue Essenz

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