Ebensolch Rez-E-zine05/04 |
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Fiction Buch Stefan Slupetzky Der Fall des Lemming Rowohlt 2004, 254 S. EUR 12,00 ISBN 3-499-23553-6 |
Rezension "Das einzige Lob, das es Wien gibt, ist der Neid. Die einzige Zufriedenheit, die es in Wien gibt, ist der Tod." (Qualtinger) Das Schlusszitat des Buches sollte eigentlich als Motto vorangestellt sein. Aufwühlend und intensiv erzählt, ist Slupetzkys Roman viel mehr als nur ein äußerst spannender Krimi. Um diesen Schlüsselroman zur österreichischen und insbesondere Wiener Seele auch in Deutschland so richtig würdigen zu können, bedarf es mehr als das zu knappe Glossar einiger weniger Begriffe am Ende des Buches. Deshalb auch vorab einige Hinweise: Noch bis in die 70er Jahre waren die schulischen Kaderschmieden mit ihren rigiden Hausordnungen und Geschlechtertrennung normaler Alltag. Hausschuhe in den Schulen, strikte Kleidervorschriften und eine festgelegte Gehrichtung im Pausenhof sind dabei nur oberflächliche Beispiele für das Unterdrücken aufkeimender Individualität und Selbständigkeit. Der ideale Staatsbürger muss sich beugen oder brechen. Kein Wunder, dass hierzulande Barbapapas so beliebt sind und die Werbung diese ultraanpassungsfähigen Figuren den heute 30- bis 40-jährigen zur Identifikation vorsetzt. Beklemmend real schildert Slupetzky wie fleißig immer, überall und von jedem nach oben gebuckelt und nach unten getreten wird, wie Opfer zu Tätern werden. Verständnis der Figuren für Hackordnung, Machtmissbrauch und Untaten entspringt deren ureigensten opportunistischen Wunschvorstellungen. Der Ermordete ist ein Lehrer vom Kaliber eines Gott Kupfer und der Mörder dagegen Rainmans kleiner Bruder mit Franz-Fuchs-Moral. Dazwischen tummelt sich Kommissar Rex als bekiffter Berner Sennenhund und die berühmte Szene aus "Der dritte Mann" im Riesenrad mutiert zur weinerlichen Rechtfertigung eines psychopathischen Idealbürgers mit dem dazupassenden Namen. Was bleibt da den Rechtschaffenden? Auswandern und den Daheimgebliebenen raten, dasselbe zu tun. Das bösartigste Krimivergnügen, dass man sich nur wünschen kann. © S. Strohschneider-Laue (siehe auch Lemmings Himmelfahrt) |
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