Ebensolch Rez-E-zine16/05 |
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Fiction Buch Stefan Slupetzky Lemmings Himmelfahrt Rowohlt 2005, 397 S. € 8,90 ISBN 3 8218 0952 3 |
RezensionSlupetzky zoomt sich auch im zweiten "Lemming" wieder vordergründig spannend und hintergründig analysierend in die unermesslichen Abgründe der Wiener Seele. Ein seismologisches "Magengrimmen" im Wiener Becken lässt eine marode Wasserleitung in der Lemmingwohnung platzen. Der nächtliche Tsunami spült den Schiffbrüchigen aus seiner Wohnung, schmettert ihn kurzfristig an die Türschwelle seiner Freundin und verebbt unter dem Gestrandeten im Kaffeehaus. Jene Insel der Glückseligkeit, an deren Strand letztlich alle (verlorenen) Wiener Seelen angespült werden. Und schon wird auf ihn geschossen, die Kugel trifft einen anderen und das Blut des Opfers den Lemming. Im Nu ist er als Mordverdächtiger im Visier seines ehemaligen Vorgesetzten Major K(r)otznigs und es bleibt dem vorübergehend Obdachlosen nur noch die Ermittlung auf eigene Faust. Opportunistisch verbindet der Lemming, dessen Name ja eigentlich Leopold Wallisch ist, in Folge Wohnungsnot und Ermittlung. Er lässt sich mit Gedächtnisschwund in jener Nobelklinik einliefern in der der wahre Täter Patient war. Eine Situation, die ihm als ehemaliger Polizist an der untersten Stufe der Hackordnung, nicht schwer fällt. Zwischen diversen mental beeinträchtigen Patienten, die mehr Moral und Verstand besitzen als alle so genannten Normalen zusammen, ermittelt er zunehmend um sein eigenes Leben. Spannend und abgründig nimmt der ganz normale Wahnsinn bis zum Ende ungeahnte Dimensionen an. Tanzende "Daunie-Girls", die als Down-Syndrom-Patientinnen der Anstalt entsprungen und als Elfen im Sommernachttraum angekommen sind, stehen dem Lemming ebenso erfolgreich zur Seite wie Rainman und Forrest Gump mit Shakespeare Ambitionen. Das "himmlische" Anstaltspersonal dieses Schwarzwaldklinik-Verschnitts im Wiener Nobelbezirk, macht dagegen dem "Mundl" (für Deutsche "Ekel Alfred") in jeder Hinsicht Konkurrenz. Selbst die bösen Leserwünsche für so manche Figur werden befriedigt. Hat doch Major Krotznig inzwischen statt des Lemmings seine eigene Nemesis zur Seite, quasi sein ganz persönliches und zu allem Überfluss weibliches Pendant. Vom Hauptcharakter bis in die Nebencharaktere ebenso messerscharf ausgearbeitet wie die hintergründigen Beschreibungen der pointiert gewählten Wiener Örtlichkeiten. Göttlich schwarz zu lesen und herrlich spannend bis zur letzten Seite. Mit dem gewissen Nachbrenner, wenn man schon glaubt, dass alles ausgestanden ist. Für den ersten "Fall des Lemming" erhielt Stefan Slupetzky 2005 den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte "Debut". © S. Strohschneider-Laue |
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