Ebensolch Rez-E-zine11/04 |
||
Non-Fiction Buch Claudia Pantellini, Peter Stohler (Hgg.) Body Extensions Arnoldsche 2004, dt./ fr., 192 S., 123 Abb. € 24,80 (D), CHF 45,00 ISBN 3 89790 204 4 |
RezensionMehr als nur eine Begleitpublikation der Ausstellung "Body Extensions - Wie wir den Körper erweitern", die noch bis Ende Januar 2005 in Lausanne im mudac zu sehen ist, spricht dieses Buch sicher nicht nur Ausstellungsbesucher an. Body Extensions ist ein äußerst interessanter und zugleich kritischer Bildband, der allen Leuten gefallen wird, die immer schon der Meinung waren, dass künstlich gestraffte Haut aussieht wie Pergament dem das Flair fehlt. Körperkult ist in jeder Hinsicht "anders", wie genüsslich an Beispielen aus Kunst, Fotografie, Film, Comic und Mode von zwölf FachautorInnen aufgezeigt wird. Body Extensions ist somit "das" Buch über Körperkult. Es nimmt dabei Schönheitschirurgie, reale Cyborgs, ebenso wie fiktive Superhelden unter die Lupe. Die Bilder und Texte spüren dem Verlangen des Menschen vollkommen zu sein nach. Sie zeigen wie weit Menschen für ihre "Body Extensions" gehen, was sie ihnen und der Gesellschaft bedeuten sowie die Wege und Möglichkeiten diese zu erlangen. Übrigens ist das Buch sprichwörtlich ein Hardcover und hat mit diesem ungewöhnlich dicken Karton für Deckel und Rücken passende Body Extensions. Das übersichtlich, aber nur scheinbare schlichte Design, ist bestechend schön und damit thematisch passend gewählt. Ein ideale Präsentationsform für tolle Inhalte und erstklassige Abbildungen. Die beiden Herausgeber von Body Extensions sammelten Beiträge zu den Themen Kunst und Fotografie, Film und Comic sowie Mode und legten diese zweisprachig auf 192 fesselnden Seiten vor. Christoph Keller setzt sich äußerst spannend in "Wir Cyborgs" mit Body Extensions in Kultur und Alltag auseinander. Seine Darstellung medizinisch notwendiger und Aufrüstung medizinisch unnötiger Body Extensions zeigt die dünne Grenzlinie zu Frankensteins Monster in gekonnter Weise auf. "Hybride Ausdehnungen des Medialen und des Körpers" stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen von Sigrid Schade. Ihre scheinbar "kleine Geschichte" des Körperbildes in Medien und Kunst birgt geballte Information quer durch die Zeiten. Die Inszenierungen der "Rebacca Horn" in den 70er Jahren werden von Mirjam Fischer minutiös vorgestellt. Chantal Prod'Hom zieht in "Körpererweiterung, mehr als ein Accessoire?" die Aufmerksamkeit der LeserInnen auf die Kissenserie "Rest your Bum!" der Designergruppe Superreal, die in London und Wien aktiv ist. Das größte Organ des Menschen ist die Haut, die zugleich auch die äußere Begrenzung des Menschen ist. Sibylle Omlin stellt in ihrem Artikel "die zweite Haut als Schaukörper" vor. Die Performances von Victorine Müller, deren "Durchströmung II" eine eigens für die Ausstellung entwickelte Installation ist, steht im Mittelpunkt der Betrachtung. "Rohstoff Fleisch" von Barbara Zürcher nimmt sich der Körperfotografie zwischen Natürlichkeit und Manipultion an. Schonungslos spannend zeigt sie Invertierungen und deren Wirkung auf das Publikum auf. Patrick Marcolli wirft einen liebevollen Blick auf "die Beine des Fotografen" Gustave Le Gray (1820-1884). Dessen Kamera mit Stativ sind zugleich seine körperliche Präsenz. Kaum ein Body Extension ist zugleich ein so nettes wie selbstgefälliges Denkmal, dem der sympathische Beitrag zur verdienten Geltung verhilft. "Fantastische Filmkörper" von Henry Taylor nimmt sich der Body Extensions von Cyborgs und Superhelden im Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeit und Nicht-Verfügbarkeit an. Interessant wie deutlich dabei wird, wie typisch - meist oberflächliche - Veränderungen für Versager sind. Als ideale Leseergänzung sei dazu auch "Batman" in Pop & Kino empfohlen. Einige Beispiele für Erweiterungen im Comic stellt Pierre Yves Lador mit "Wanda, Gulliver und die anderen" vor. Body Extensions als Ausdruck der Begierde, Identität des Subjekts und seinen Beziehungen regen nicht nur Comicfans zur Selbstreflexion an. Mode ist Ausdruck des Körperverständnisses. "Extended Fashion" von Wiebke Koch beleuchtet diesen Aspekt bis hin zu den funktionellen Erweiterungen der Kleidung als intelligente Textilien. Passende Kleidung für Cyborgs! In "The Mad Hatter" untersucht Claire Pavre-Maxwell den Bedeutungswandel der Hüte. Diese symbolträchtige Körpererweiterung wird wohl in jedem Leser eigene Assoziationen wecken, kalt wird daher der Text niemanden lassen. Jeroen van Rooijen schließt den Band mit "Mode nach Körpermaßen und darüber hinaus". Das Augenmark ruht auf grotesken Überzeichnungen. Dem Ausblick kann ich mich in Zeiten wie diesen allerdings voll inhaltlich anschließen: "(...) Konzeptmode (...) ist ein Luxusphänomen. Wenn Menschen (...) Mittel haben, sich mit phänomenaler Mode zu beschäftigen, tun sie das - wenn der Gürtel aber enger geschnallt werden muss, sind die großen Volumen nur noch Erinnerung an scheinbar bessere, vielleicht aber auch nur etwas verrücktere Tage". © V. Strohschneider & S. Strohschneider-Laue |
Essenz Siteinfo |