Ebensolch Rez-E-zine

 29+30/06

© 2003 Strohschneider-LaueFiction

Buch

Stefan Slupetzky

Das Schweigen des Lemming

Das Schweigen des Lemming

Rowohlt 2006, 282 S.

€ 8,90

ISBN 3 499 24230 3

Rezension

Nach Der Fall des Lemming und Lemmings Himmelfahrt ist er endlich da, Lemmings dritter Fall: Das Schweigen des Lemming. Gerade, weil sehr betont und vorab darauf hingewiesen wird, dass alle handelnden Personen Fiktion sind und gerade dort, wo sie von der österreichischen Wirklichkeit eingeholt werden, ist der Verweis - vor allem für die nicht WienerInnen - dringend nötig, dass das wirklich Schlimme ist, dass die Realität die Fiktion nicht ein-, sondern mit 160 km/h überholt hat. Aber dass ist ja das Reizvolle am Lemming. Er rührt mit der ihm eigenen Präzision jenes Ekelige am Bizarren auf, das man - allgemein wegschauend - Normalität nennt.

Der Witz der Abgründigkeit bleibt somit auch im dritten Lemmingroman Markenzeichen. Dem ewigen Verlierer gelingt wieder ein Pyrrhussieg, den Krieg im Sumpf wird er allerdings nie gewinnen. Was wiederum ein Glück für die Leserschaft ist, denn damit wird uns der Lemming hoffentlich noch lange als subtiler und unfreiwillig subversiver Zeit- und Wienkritiker erhalten bleiben.

Wenn die ganze Welt eine Bühne ist, dann ist Wien eindeutig ein Zoo und in diesem Fall richtiger bezeichnet der Tiergarten Schönbrunn. Leopold Wallisch, eben jener Lemming, der Stefan Slupetzky 2005 den Friedrich-Glauser-Preis einbrachte, steht als Nachtwächter des Wiener Tiergartens sprichwörtlich inmitten der Szene als er einen erhängten Pinguin vorfindet. Vom toten Pinguin zum Raub der Saliera ist es in Wien, pardon bei Slupetzky nur ein kleiner Schritt. Ein kräftiger Rundumschlag durch die Kunst- und Verwaltungsszene verwandelt Kunst in Wulst und Dunst sowie Riesling in Lösungsmittel für das Gehirn. Der Lemming ist übrigens Vater in spé, dem zusätzlich ein drittes Ei wächst, das ab und an seine beiden vorhandenen massiert. Nein, nicht bedingt durch die anstehende Vaterschaft oder katalogfeiles Sexzubehör, sondern es wächst ihm durch die Ermittlungen zu. Der vibrierende eiförmige Fremdkörper in seiner Hosentasche, ist eher ein "Hendi" denn ein Handy, das bei allen unpassenden Gelegenheiten "ich wollt, ich wär' ein Huhn" verkündet. Es verbindet ihn mit Leuten, die er nicht kennt oder lieber nicht näher kennen lernen will und als er es am dringendsten nötig hat, kann er es im wahrsten Sinn des Wortes nicht erreichen. Witzig, brutal, frivol, kritisch und spannend bis zur letzten Seite - also inklusive Nachwort.

Im Zuge der 2. Wiener Kriminacht am 28. September las Slupetzky unnachahmlich und pointiert besonders "schreckliche" Passagen für ein großes und unersättlich begeistertes Publikum. Nachdem man den Autor nicht mit dem Band mitgeliefert bekommt, muss man selbst lesen, aber das ist ja beim Lemming ein böses Vergnügen. Falls die Familie Sie drängt oder auf "Ihren Lemming" begehrliche Blicke werfen sollte, machen Sie es wie ich: Kaufen sie einfach noch ein paar Exemplare.

© S. Strohschneider-Laue 09.Oktober 2006

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