Ebensolch Rez-E-zine

 31+32/06

© 2003 Strohschneider-LaueNon-Fiction

Buch

Andrea Hausmann, Sabrina Helm  (Hgg.)

Kundenorientierung im Kulturbetrieb. Grundlagen - Innovative Konzepte - Praktische Umsetzung

Kundenorientierung im Kuturbetrieb

VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, 276 S.

€ 39,90

ISBN 3 531 14806 0

Rezension

Kulturbetriebe brauchen Geld. In Zeiten des Rückzugs der öffentlichen Hand gewinnt die Fähigkeit alternative Einnahmequellen zu erschließen an Bedeutung. So sehen sich auch in deutschsprachigen Ländern Kulturbetriebe zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Kunst des marktwirtschaftlichen Denkens zu erlernen. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Dass damit auch eine Wiederentdeckung des Kunden einhergeht, kann sich allerdings für die Besucher einer Kulturinstitution als zweischneidiges Schwert erweisen. Denn neben Leistungen, welche die Befriedigung der meist bescheidenen Bedürfnisse und Erwartungen der Besucher zum Ziel haben, fallen auch absatzorientierte Aktivitäten des Marketings unter den weit fassbaren Begriff "Kundenorientierung". Wie heterogen die Implementierung von Kundenorientierung ausfallen kann, welch feine Abstufungen des Besuchernutzens sich dabei ergeben, zeigen die 17 Beiträge des festschriftartigen Bandes "Kundenorientierung im Kulturbetrieb". Das Themenspektrum der, in sehr unterschiedlicher Relevanz zum Titel des Buches stehenden, Aufsätze ist denkbar weit gefasst. Eine Abhandlung über den Zusammenhang von Kulturfinanzierung und Besucherorientierung ist darunter ebenso zu finden wie Artikel über Empfehlungsmarketing, Database-Management, Direktmarketing und Verkaufsförderung. Die vielschichtige Lektüre macht vor allem eines bewusst: Der Kulturbetrieb lässt sich nicht verallgemeinern, er ist ebenso inhomogen wie sein Publikum. So befremdet es zuweilen, dass Theater, Konzertbetriebe, Museen, Science Center und freischaffende Künstler quasi in einen Topf geworfen und wechselweise exemplarisch herangezogen werden. Sicher, manche kundenorientierte Serviceleistungen - wie das Angebot von Information, saubere Toiletten oder freundliches Personal - können als Grundvoraussetzung gelten und besitzen allgemeine Gültigkeit. Ein Theater wird jedoch andere Strategien der Kundenorientierung entwickeln müssen als ein Museum.

Gerade bei den Museen wird diese Diskrepanz besonders deutlich. Im Gegensatz zu Theater- oder Konzertbetrieben haben sie - zumindest auf dem Papier - einen Bildungsauftrag, der wiederum ihrer Legitimierung durch hohe Besucherzahlen besonderes Gewicht verleiht. Es ist daher im Rahmen der Kundenorientierung von Museen auch zu hinterfragen, wie allen Interessierten der Zugang zu dieser Ressource der Bildung, Unterhaltung und sozialen Interaktion ermöglicht werden kann. Anstatt wiederholt das Fernbleiben eines hohen Anteils der Bevölkerung zu monieren, wäre es an der Zeit eines der hervorstechendsten Defizite in der Kundenorientierung vieler Museen, die Preispolitik, unter die Lupe zu nehmen. Nur zu gerne scheint in der Praxis vergessen zu werden, dass hohe Eintrittspreise maßgeblich zur Besucherselektion beitragen. Gerade an Häusern die prinzipiell keinen freien Eintritt gewähren, lohnte es sich zu ermitteln wie viele Menschen ausgeschlossen werden, weil sie zwar über Interesse aber nicht oder nicht mehr über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Jene, die sich einen Museumsbesuch gerade noch leisten können, werden das Verhältnis von aufgewendeten Ressourcen zu erhaltener Leistung genau prüfen - und unter Umständen nicht wiederkehren. Zu den größten Besucherverlusten wird es kommen, wenn die durch kundenorientiertes Marketing geweckten Erwartungen vor Ort nicht erfüllt werden - sei es durch ungenügend aufbereitete Inhalte einer Ausstellung oder fehlende bzw. mangelhafte kundenorientierte Serviceangebote, von Sitzmöglichkeiten bis zu Orientierungshilfen.

Letztlich sollte kein Kulturbetrieb die Urteilsfähigkeit seiner Kunden unterschätzen. Denn diese können sehr wohl unterscheiden, ob sie mit dem alleinigen Ziel Gelder für das Haus zu lukrieren bewirtschaftet werden oder ob ihnen aus einem Service tatsächlich ein ihrem Wohlbefinden dienender Zusatznutzen erwächst.

Der anregende Sammelband "Kundenorientierung im Kulturbetrieb" leistet einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung in Sachen Kundenorientierung. In vieler Hinsicht wirft das Buch mehr Fragen auf, als zum derzeitigen Zeitpunkt beantwortet werden können. Damit bietet es nicht nur Zündstoff für anregende Diskussionen sondern zeigt auch, dass das Feld der Forschung noch lange nicht erschöpft ist.

© Ch. Ranseder 25. November 2006

(siehe auch Neue Ansätze im Kulturmanagement und Projektmanagement für Kulturmanager)

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